Die verlorene Gegenwart Gottes

 

Und sie hörten die Stimme Gottes, des HERRN, der im Garten wandelte bei der Kühle des Tages. Da versteckten sich der Mensch und seine Frau vor dem Angesicht Gottes, des HERRN. - 1. Mose 3,8

 

Und Gott, der HERR, schickte ihn aus dem Garten Eden hinaus. - 1. Mose 3,23

 

Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns - Johannes 1,14

 

Adam hatte die Gemeinschaft mit dem Schöpfer-Gott verloren. In den biblischen Berichten über die darauffolgenden Epochen war Gott den Menschen nie wieder so nahe wie zuvor Adam.

 

Bei den Israeliten war Gott in der Schechina gegenwärtig, verborgen in der Feuer- und Wolkensäule. Gelegentlich zeigte er sich in einer Gotteserscheinung, die von Theologen als Theophanie bezeichnet wird. Gott sprach vielleicht einmal kurz mit einem Menschen, so wie mit Abraham am Zelteingang oder mit Gideon auf dem Dreschplatz. Jedoch hielt sich Gott nicht länger bei einem Menschen auf. Sein Erscheinen war immer behutsam und verborgen.

 

Auch als sich Gott dem Mose zeigte, geschah das im Feuer des brennenden Busches oder als Mose in einer Felsspalte verborgen war. Die Augen gefallener, sündhafter Menschen konnten die strahlende Majestät und Herrlichkeit Gottes nicht mehr ertragen.

 

Doch dann, als die Zeit erfüllt war, kam er wieder zu den Menschen: "Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns." Sie nannten ihn Immanuel, das bedeutet "Gott mit uns". In diesem ersten Kommen Jesu Christi erschien Gott erneut, um höchstpersönlich unter den Menschen zu wohnen.

 

Damit Sie es wissen: Ich gehöre nicht zu den Verkündigern, die in ihren Predigten gerne auf Verhältniswörter hinweisen, aber an dieser Stelle sollten wir drei Verhältniswörter beachten, die etwas mit dem Kommen Jesu, mit seiner Menschwerdung, zu tun haben.

 

Er kam, um bei den Menschen zu wohnen. Er kam, um mit den Menschen vereint zu werden. Und er kam, um für immer in den Menschen zu wohnen. Er kam also, um bei, mit und in Menschen zu wohnen.

 

Ich muss immer über die vergeblichen Bemühungen von Übersetzern schmunzeln, wenn sie zu Bibeltexten kommen wie diesem: "Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht" (Joh. 1,18).

 

Das Wort Gottes ist einfach zu komplex für Übersetzer, die diesen Satz im Griechischen lesen: Der Sohn hat ihn kundgemacht. In anderen Bibelausgaben wird dieser Satz entweder umgangen, umschrieben oder geglättet. Manche verwenden zwei oder drei Wörter, andere wiederum nur eines. Sie bemühen sich, das auszudrücken, was der Heilige Geist gesagt hat, aber schließlich geben sie auf. Unsere englische (oder deutsche; A.d.Ü.) Sprache kann eben einfach nicht alles ausdrücken.

 

Wenn wir alle unsere Wörter und Synonyme aufgebraucht haben, haben wir noch immer nicht alles ausgedrückt, was Gott offenbarte, als er sagte: "Niemand hat Gott je gesehen, aber als Jesus Christus kam, zeigte er uns, wie Gott ist" (freie Übersetzung von Joh. 1,18). Ich denke, unsere einfache Alltagssprache ist so gut wie jede andere.

 

"Er hat ihn offenbart - er hat uns gezeigt, wie Gott ist!"

 

Er hat ihn kundgemacht. Er hat ihn erklärt. Er hat ihn offenbart. So oder so ähnlich jonglieren die Übersetzer mit der Sprache, um dieses erstaunliche Bedeutungs-Wunder zu erfassen.

 

Aber der Mann, der durch Galiläa wanderte, war Gott und handelte auch wie Gott. Es war Gott, der sich bewusst Grenzen auferlegte, der die riesige, geheimnisvolle Kluft zwischen dem Göttlichen und dem Nicht-Göttlichen überbrückte, zwischen Gott und dem Geschöpf. Kein Mensch hat Gott jemals gesehen.

 

"...der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist..." (Joh. 1,18). Merken Sie, dass hier nicht die Vergangenheitsform verwendet wird? Es heißt auch nicht, dass der Sohn im Schoß des Vaters sein wird. Stattdessen ist er im Schoß des Vaters. Hier wird die Gegenwartsform verwendet, der Ausdruck des Andauernden oder die Verlaufsform, wie es die Grammatiker nennen. Schon die Sprache drückt etwas Fortdauerndes aus.

 

Deshalb verließ Jesus auch nicht den Schoß des Vaters, als er am Kreuz hing. Jetzt fragen Sie mich bestimmt: "Herr Tozer, wenn das stimmt, warum schrie unser Herr dann: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mk. 15,34).

 

Hatte er vielleicht Angst? Irrte er sich vielleicht?

Nein, niemals!

 

Für uns, die wir ihn lieben und ihm dienen, sollte die Antwort klar auf der Hand liegen.

 

von A.W. Tozer aus "Vom Himmel her" Andacht vom 1. Tag