Otto Stockmayer aus "Die Gnade ist erschienen"

Als Kinder des Gehorsams stellet (bildet) euch nicht gleich wie vorhin, da ihr in Unwissenheit nach den Lüsten lebtet! - 1. Petrus 1,14

 

Wir wussten gar nicht, welchen Mächten wir dienten!

 

Wir haben die Worte betrachtet: "Bildet euch nicht nach den vorigen Lüsten in eurer Unwissenheit!" "Nicht in den früheren, vorigen Lüsten", die für immer und ewig zum Früheren, Vorigen gehören, zu dem, was abgetan ist und eben darum nicht mehr befleckend und störend in die Stellung hereinragen sollte, die wir als Kinder Gottes einnehmen, denen ein neues Ziel in den Gesichtskreis getreten ist.

 

Früher waren wir unwissend, und wer kann da sagen, wie weit die persönliche Schuld geht oder wie weit die Unwissenheit von der Welt kommt, vielleicht auch von unserem Temperament, unseren Charakteranlagen, dem von den Eltern ererbten Blut! Wir waren mit einem Wort unwissend. Wie oft haben wir uns geschämt, wenn wir unsere Dummheit und Borniertheit auf dem einen oder anderen Gebiet erkannten; wie ist uns oft die Röte ins Gesicht gestiegen, wenn man uns in Dingen, in denen andere bewandert waren, der Unwissenheit zeihen konnte, und wie haben wir unsere Unwissenheit zu verbergen gesucht, ohne eine Ahnung zu haben, wie unwissend wir in bezug auf Göttliches waren und wie uns da eine ganze Welt verschlossen geblieben!

 

Wir wussten gar nicht, welchen Mächten wir dienten - Mächten der Finsternis und der Unwissenheit. Unwissenheit und Finsternis gehen Hand in Hand. Hinter der Unwissenheit steht ein Fürst, dessen Gewand Finsternis ist, wie Gottes Gewand Licht ist. Dieser Fürst behandelt uns mit Opium und allen möglichen sonstigen beruhigenden und einschläfernden Mitteln, damit wir uns ja nicht Rechenschaft von unserer Schuld geben. Trotz unserer vermeintlichen Bildung waren wir unwissend in bezug  auf unsere Bestimmung, unseren Zustand und Gottes Heiligkeit; unsere Mitmenschen haben uns vielleicht angestaunt, aber wir haben uns doch in der Welt der Unwissenheit bewegt, gerade was das Höchste und Allerhöchste betrifft, haben uns in der Welt der Lüste, in den verschiedenen Formen des Begehrens gehen lassen.

 

"Du sollst nicht begehren" - dich nicht lassen gelüsten, übersetzt Luther. Begehrliche Leute sind Leute, die sich nie genügen lassen, nie zufrieden sind. Du sollst deine Augen nicht lüstern auf das werfen, was andere haben, sei es auf deren äußere Vorzüge, ihre Herkunft, ihren Stand, ihre Stellung, ihre Bildung, ihr Geld oder dergleichen. Wenn du danach begehrtest, so tatest du es in Unwissenheit, in Verblendung, weil du keine Ahnung hattest, dass die Dinge, um die du andere beneidest, sie gar nicht glücklich machen. Es ist Unwissenheit, Verirrung, Torheit, wenn man scheel sieht auf die Güter anderer und sich danach gelüsten lässt.

 

Du kannst auf der weiten Welt nirgends glücklicher sein als in dem Stande, in den dich Gott hat hineingeboren werden lassen. Es hat kein Mensch Grund, etwas zu begehren, was sein Nächster hat, und es ist pure Einbildung, wenn er denkt, wenn er dies und jenes besäße, wäre er glücklich. Du Tor, in deiner Verblendung merkst du gar nicht, dass es eitel Gnade ist, wenn Gott seine Hand schwer auf dir lasten lässt und dir manches entzieht, was du gern hättest und was dir nur zum Verderben gereichen würde.

 

Andacht zum 15. August