Otto Stockmayer
Das Christentum fängt im Himmel an und hört in der Küche auf
Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesus und danket Gott und dem Vater durch ihn! Kolosser 3,17
Ist es euch noch nicht aufgefallen, warum sich die Briefe immer von selbst in zwei Hälften teilen? In den ersten Kapiteln zieht der Herr vor unseren Augen große, heilige Linien, dann aber lässt er sein Wort auch hineindringen, erleuchtend und durchleuchtend in die Gebiete des täglichen Lebens, in die Verborgenheiten der Alltagswelt, auf dass wir uns durchrichten können, damit wir keine Schwätzer werden, sondern durchgebildete Kinder Gottes. Es gibt nichts Traurigeres und Abstoßenderes als ein bloßes Schwätzen von heiligen Dingen.
Dagegen gibt es nichts, das uns weiterbringen könnte, als wenn wir andere in ihrem Alltagsleben treu dem Herrn nachfolgen sehen. Die höchste Reinigung wird dadurch erzielt, wenn wir Brüdern begegnen, welche im Licht wandeln. Deswegen heißt es in der Bergpredigt: "Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz dumm wird, womit soll man's salzen? Es ist hinfort zu nichts nütze, denn dass man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf dem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. Also lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen!" (Matth. 5,13-16)
"Das Christentum fängt", nach den Worten eines Knechtes Gottes über Kolosser 3, "im Himmel an und hört in der Küche auf!". Es erobert sich nach und nach alle Gebiete unseres täglichen Lebens. Was ist dazu von unserer Seite nötig?
Die Heilstaten Christi können ihre erlösende Macht über unser Herz und Leben nur so weit ausüben, als der Heilige Geist sie uns ins Licht stellt, und darum sind wir auch persönlich verantwortlich für unseren Unglauben nur, soweit wir Licht haben. "Glaubet an das Licht, dieweil ihr's habt, auf dass ihr des Lichtes Kinder seid!" (Joh. 12,36). Zum Glauben an das Licht gehört, dass man sich dem Licht ausliefert, jeden Lichtstrahl sorgsam bewahrt und ihm nachgeht.
Unglaube ist Vergesslichkeit und Gedankenlosigkeit (Ps. 78,11 und 42). Hängt die Zukunft unseres inneren Lebens in erster Linie von der Bereitwilligkeit ab, mit der wir uns jedem Strahl göttlichen Lichts hingeben, so hängt sie in zweiter Linie ab von der zarten und gewissenhaften Treue, mit der wir die uns aufgeschlossene Wahrheit verwerten. Alles, was wir vom Wort Gottes und vom Werk Christi erfasst haben, muss sofort in unserem Leben seinen Ausdruck finden.
Alle Erkenntnis der Wahrheit, die keine Selbstverleugnung wirkt, die Charakter und Leben nicht umgestaltet, ist unserem inneren Menschen verderblich. Im häuslichen Leben, in Amt und Beruf verwerten, was man empfangen hat, ist der sicherste Weg, um mehr zu bekommen. Nur auf diesem Weg weicht aller Nebel des Unglaubens und kann die Wahrheit uns leuchten mit voller Kraft, reinigend und befreiend.
Nachdem wir aber lange mit verbundenen Augen dahingegangen und durch Anhäufung unfruchtbarer Erkenntnis uns selbst und andere um die Wahrheit betrogen haben, wollen wir nicht mutlos werden, wenn es uns vorerst schwer wird, die volle Wirkung von Christi Erlösungstat in die Erfahrung unseres Alltagslebens umzusetzen. Sei nur treu in dem, was dir der Herr bisher gezeigt hat; beuge dich demütig unter alles, was dir entdeckt wird, geschieht es auch auf unzarte Weise von Menschen, die neben dir stehen, und von denen du meinst, dass sie dir nicht wohlwollen! "Denn Ausdauer habt ihr nötig, damit ihr nach Erfüllung des Willens Gottes die Verheißung davontragt." (Hebr. 10,36)
aus "Die Gnade ist erschienen" von Otto Stockmayer, 09. November