Verlasse die erste Liebe nicht!

Ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässest. Offb.2,4

 

Zuerst erkennen wir hier bei allem Ernst die große Gnade, dass Christus unsere Liebe haben will.

 

Er fragt nach unserer Liebe, Er will uns nicht nur zu Dienern, sondern auch zu Freunden haben.

 

Er ist nicht zufrieden, wenn Er nur unsere Werke erhält, sondern Er will auch von uns geliebt sein.

 

Er will nicht nur unseren Dienst, sondern auch die Liebe unseres Herzens haben.

 

Zum anderen sehen wir hier, dass mancher in allem, was zur äußeren Beweisung des Christentums gehört, einer der vornehmsten Christen sein kann, während in seinem Herzen das eigentliche Leben, der Kern und die Hauptsache fehlen.

 

Viele, die dies jetzt lesen, nehmen hierdurch ihr Urteil in den Mund. Sie werden nämlich in demselben Zustand erfunden werden wie der Lehrer zu Ephesus; sie haben alles, was zur Gottesfurcht gehört, nur die erste Liebe fehlt. Jemand ist ein erleuchteter Christ, ein Bruder unter Brüdern und recht aus Gott geboren. Christus kann von seiner ersten Liebe zeugen. Er hat hernach immer seine Gottesfurcht bewiesen.

 

Ja, er lebt nicht nur fromm und übt täglich gute Werke, sondern er arbeitet auch um Jesu willen und erduldet sogar Verfolgung. Er ist außerdem so standhaft und so treu, dass er nicht ermüdet, sondern darin fortfährt und Geduld hat und tut das alles bei so geistlichem Lichte, dass er die falschen Geister von den rechten zu unterscheiden weiß, die Werke der Nikolaiten hasst, welche auch der Herr hasst usw. - Sollte ein solcher nicht beruhigt sein, dass alles mit ihm wohl stehe? Jesus sagt hier etwas anderes.

 

Aller dieser guten Eigenschaften ungeachtet kann der Herr Christus dennoch zu dir sagen: „Ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässt.“

 

Wenn diese erste Liebe und ihre Werke nun bei dir ausgestorben sind, so ist dies eine höchst bedenkliche Sache.

 

Hier muss nun aber wegen der zaghaften und bangen Herzen der Gläubigen bemerkt werden, dass man zwischen der ersten Liebe und den ersten Empfindungen genau unterscheiden muss.

 

Beachte! Außer der Liebe, die bei dem zurückgekehrten Sohn entstehen musste, als der Vater ihn so unverdient mit einem so brennenden Herzen umfasste, sagt Christus, dass auch ein Freudenfest angerichtet und unter Gesang und Reigen ein gemästetes Kalb gegessen wurde. Dieses Freudenfest und ein solches Leben konnten nicht täglich stattfinden. Danach musste der Sohn an der Arbeit teilnehmen und alltägliche Kost genießen. Ist dies nicht ein Beispiel für Gottes Regierung mit Seinen Kindern? Zuerst eine liebliche Zeit seliger Gefühle, wo ein Johannes an der Brust Jesu liegen und eine Maria Magdalena Ihn anrühren und Sein liebliches Angesicht sehen darf, - jetzt können die Hochzeitsleute nicht fasten.

 

Aber „der Bräutigam wird von ihnen genommen werden, und dann werden sie fasten“.

 

Dann kann Johannes nicht mehr an der Brust Jesu liegen, dann darf Maria Ihn nicht mehr anrühren. Das müssen alle Christen erfahren. Luthers Worte bewahrheiten sich: „Je nachdem der Glaube zunimmt, nehmen die Gefühle ab.“ Dies muss immer von der ersten Liebe unterschieden werden.

 

Aber worin besteht diese erste Liebe denn?

 

Hier müssen wir darauf achtgeben, wodurch sie entstand, worin sie bestand und wovon sie abhing. Sie entstand nur dadurch, dass „viele Sünden vergeben wurden“. Sie bestand eigentlich darin, dass der Heiland wegen der Sündennot unentbehrlich und wegen der Vergebung der Sünden so lieblich und teuer wurde. Hiermit ist die Hauptsache ausgesprochen: Der Heiland ist unentbehrlich und teuer. Wo die Sünde überströmt, ist die Gnade doch viel überschwänglicher. Und schließlich kann man im Himmel und auf Erden nichts anderes so teuer halten als den Heiland, von dem all diese Gnade kommt. Und diese Liebe ist umso stärker, je nachdem der Heiland mir unentbehrlicher und kostbarer ist, wenn auch mein Gefühl schwächer ist.

 

Beachte dies, und du kannst zwischen der ersten Liebe und den ersten Empfindungen unterscheiden. Das verstehen die nicht, deren Christentum nur in zufälligen Gefühlen besteht. Diejenigen aber, denen nicht nur die Sünde, sondern auch die Gnade eine große Wirklichkeit ist, verstehen es.

 

Wenn wir die Worte Christi an jenen Lehrer zu Ephesus im Zusammenhang betrachten, merken wir, dass der Herr sagen will: Deine Werke, deine Arbeit um Meines Namens willen, dein Leiden, deine Geduld und dein Licht, deine Gabe, die Geister zu prüfen, ja noch mehr, das Wohl Meiner Gemeinde, die Förderung Meines Reiches, die Reinheit Meiner Lehre, alles das ist dir teuer und wichtig. Nur Ich, als dein Fürsprecher und Versöhner, bin dir jetzt weniger wichtig, nur Ich und Meine Werke, Ich in dem blutigen Gewande Meiner Versöhnung bin dir jetzt nicht so unentbehrlich und teuer wie zu der Zeit unserer Vereinigung.

 

Du bedarfst jetzt nicht, wie damals, als ein Sünder zu meinen Füßen zu liegen und um die Früchte Meiner Werke, um das Verdienst Meines Blutes, um die Vergebung der Sünden zu betteln. Deine eigenen guten Werke, dein herrliches Christentum, deine nützliche Wirksamkeit, das alles ist dir jetzt genug.

 

Das meinte Christus, als Er so ausführlich die Verdienste dieses Mannes aufzählte und hinzufügte: „Aber Ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässest.“

 

Ach prüfe, Herr, mein armes Herz,

Du kannst es, Du allein!

Dein lass es sein in Freud und Schmerz,

Bleib Du auch ewig mein.

Du löstest mich aus Satans Band,

Bevor ich Deine Gnad’ verstand.

Ach lehre mich, zu lieben Dich;

 

Ich weiß, Du liebst auch mich.

Entnommen aus dem Buch von Mag. Olof Rosenius – ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)