C.O. Rosenius

Sein Kind sein 

 

Wie viele Ihn aufnahmen, denen gab Er Macht, Gottes Kinder zu werden, ..., welche von Gott geboren sind. - Joh. 1, 12–13

 

Bei einer solchen Erklärung der Schrift über die Kinder Gottes sollten sich doch die Herzen aller Gläubigen vor Freude und Verwunderung erweitern — andererseits diejenigen, die sich frech und selbstisch diesen hohen Namen anmaßen, erschrecken und zurückprallen! Gottes Kinder sind in der Bedeutung der Schrift von Gott geboren, sind Wunderwerke der Gnade Gottes, sind neue geistliche Geschöpfe auf Erden, die eine „Teilhaftigkeit der göttlichen Natur“ verraten. Und das bringt der wahre, lebendige Glaube mit sich. Dass wir einzig und allein aus Gnaden, durch den Glauben Gottes Kinder und selig werden, ist so gnadenvoll und trostreich, dass man vor Freude darüber weinen möchte.

 

Aber werden wir dann nicht verstehen und bedenken, dass hier ein solcher Glaube gemeint ist, durch den wir von Gott geboren werden? Oder würde auch ein selbstgemachter Wahnglaube, der nie eine Geburt aus Gott zur Folge hat, uns selig machen? Ohne Frage kann wohl jeder den schönen Titel eines Kindes Gottes an sich reißen. Mancher schmeichelt sich auch mit der Hoffnung, ein wahrer Christ zu sein, obwohl er die auszeichnenden Merkmale dieser Neugeburt nicht hat. „Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten!“ Hier wird schließlich nicht gefragt, wie viel Verstand man im Kopfe oder im Munde gehabt hat, sondern ob Wahrheit in unserem Christentum gewesen ist, ob wir von Gott geboren sind.

 

Ach es wäre schrecklich, sich mit einem angemaßten Trost durch das Leben gegaukelt zu haben, anstatt mit einem von Gott gewirkten Glauben, sich und andere mit einem losen Gedankenglauben betrogen zu haben, der keine Kraft zur Demütigung, zur Neugeburt und zur Heiligung des Herzens hatte, sondern nur in Erkenntnis und Worten sowie in einigen Religionsübungen, in Beten, Lesen und Reden bestand, was alles selbstgewirkt war, um das Vertrauen der Christen zu gewinnen. Bald hat das Spiel ein Ende, bald kommt der Große, Heilige, vor dem man geheuchelt hat, mit der ernsten Botschaft: „Es ist getan! Tue Rechenschaft!“ Und dann, wenn wir im ernsten Antlitz des Todes entschleiert und entblößt vor die Augen des Heiligen gestellt werden — wie schrecklich, wenn wir die ganze Zeit hindurch geheuchelt hätten! Gerade darum, weil die Gnade so groß ist und die himmlische Kindschaft so herrlich ist, ist es auch so furchtbar gewagt, wenn in unserem Christentum nicht Wahrheit ist.

 

Beachte darum tief die Worte des Apostels in diesem Spruch! Er sagte zuerst: „Wie viele Ihn aufnahmen, denen gab Er Macht, Gottes Kinder zu werden.“ Dieses „Aufnehmen“ erklärte er durch den Zusatz „die an Seinen Namen glauben“. Aber seht, wie er sich erklärt! Er fügt hinzu, dass diejenigen, die durch den Glauben Kinder Gottes waren, auch von Gott geboren sind. Diesen Punkt müssen wir uns tief in unsere Herzen prägen. Wer „das Reich Gottes sehen soll“ und als ein Kind Gottes ewig mit Gott leben können soll, muss von Gott geboren sein. Das göttliche Leben, das vor dem Sündenfall im Menschen wohnte und das Bild Gottes in dem war, dessen Verlust Gott vor allem im Auge hatte, als Er sprach: „Welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben“ — dieses göttliche Leben muss jetzt durch eine Neugeburt vom Geist in uns wiederhergestellt werden, so dass wir aufs Neue „dem Bilde Gottes ähnlich werden“, obwohl dieses Bild nicht vollkommen wird, bevor wir von der hindernden Umkleidung des Fleisches befreit sein werden. Christus erklärte ausdrücklich: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“

 

Gottes Reich wird uns aus eitel Gnade geschenkt, dieser Punkt steht ewig fest; aber du bist ganz ungeschickt, es zu genießen, du kannst unmöglich das Leben mit Gott und das Leben im Himmel leben, wenn du nicht von neuem geboren und der göttlichen Natur teilhaftig wirst. Der wahre Gott ist ein heiliger Gott. Ein unheiliges Wesen wird in Seiner Nähe verzehrt und vernichtet. Es muss eine mit Gott verwandte Natur, ein „neuer Mensch, der nach Gott geschaffen ist“, entstehen, bevor eine Seligkeit in der Gemeinschaft Gottes sein kann. „Fleischliche Gesinnung ist eine Feindschaft wider Gott“ und kann nicht einen einzigen Tag, viel weniger eine ganze Ewigkeit, in Seiner Nähe gedeihen. Darum sagt Christus: „Lass dich’s nicht wundern, dass Ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden! Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch. — Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Und Johannes sagt: „Welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches …, sondern von Gott geboren sind.“ Und so sagt Petrus: „Ihr seid wiederum geboren, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewig bleibt.“ Und so sagt Paulus: „In Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern eine neue Kreatur.“

 

Nun, wem solltest du in dieser Lebensfrage glauben, wenn nicht dem Herrn? Christus ist ja die Liebe und Milde selbst. Christus und seine Apostel müssen wir hören! Da sie nun gleichsam mit einem Munde bezeugen, wie Gott einen solchen Weg für die Menschenkinder festgestellt hat, dass sie von neuem geboren und der göttlichen Natur teilhaftig werden müssen, um in den Himmel eingehen zu können, wie kannst du dann, der Ewigkeit entgegengehend, dahinleben, ohne dir dieser Art bewusst zu sein?

 

Totes Werk, historisch Wesen

Ist’s, was sich die Welt erlesen

Und für ihren Christum hält;

Schatten, Bildnis, Schein und Meinen,

Judaskuss und Heuchelweinen^                               

 

Ist der Glaube dieser Welt.

 

Aus ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘ von Carl Olaf Rosenius

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)