Mit der Freude des Glaubens erfüllt zu werden
So kehret euch nun zur Festung, ihr, die ihr auf Hoffnung gefangenliegt. Sach. 9,12
„Wie kann ich mich zur Festung kehren oder anfangen, an Christus zu glauben, da ich noch so sündenvoll oder so hart, leichtsinnig, ja gottlos bin?“, fragt hier sicher manche gebundene Seele. Damit bist du unausgesetzt in dich selber gekehrt. Wenn man aber zu dir sagt: „Glaubst du nicht an das Wort Gottes, so machst du Gott zum Lügner“, dann sprichst du: „Wohl glaube ich, dass Seine Versöhnung hinreichend und Seine Liebe groß ist.
Der Fehler aber liegt an mir, es ist meines Herzens Härte, meine erschreckliche Sicherheit und Heuchelei, meine grässliche Sündenliebe usw.“
Sieh, so merkt man, dass du dich gerade von der Festung weg in dich hinein wendest und dem Zeugnis Gottes von Seinem Sohne nicht glaubst, dass Er uns nämlich als ganz Verlorene erretten wird. Du aber willst unbedingt als verbessert kommen und glaubst und beachtest nicht, was Christus sagt, dass du nämlich zuerst durch den Glauben in Ihn gepfropft sein musst, d. h. dass du zuerst als gottlos gerechtfertigt und begnadigt, mit dem Frieden und der Freude des Glaubens erfüllt werden musst, bevor du anfangen kannst, Frucht zu bringen.
„So kehret euch nun zur Festung, ihr, die ihr auf Hoffnung gefangenliegt.“
Wir wiederholen es noch einmal! Dein ganzes Unglück ist, dass du dich nicht sofort zur Festung kehrst, sondern dich zu tausend anderen Dingen wendest und denkst und versuchst und wartest und hoffst — hoffst auf alles andere, ja gefangenliegst in einem Warten und Harren auf etwas Besonderes, das noch in deinem eigenen Herzen vor sich gehen soll, Erlösung von einer bestimmten Sünde, von bösen Gedanken, von Härte, Leichtsinn und Unvermögen — und die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist, sie steht im finsteren Hintergrund. Da liegt der Fehler!
Und unzählig, ganz unendlich sind die Bedingungen und die Vorbehalte, über die man dann grübelt und in denen man gefangenliegt. Dass der Sohn Gottes aber für uns starb und alles darin besteht, dass die Gnadenquelle viel mächtiger als der Sündenstrom fließt — und zwar gleichermaßen für alle Sünder, das bedeutet für den Betreffenden nichts, darüber meint er, sein Heil verscherzend, schnell hinwegflattern zu können.
Erwache darum und bedenke dieses Einzige, ewig Große und ewig Gültige, dass die Sünden der ganzen Welt schon getilgt sind, dass Gott schon versöhnt und mild ist und vor lauter Liebessehnen brennt, dir Gnade um Gnade zu geben!
Alle uns beunruhigenden Worte Gottes, die etwas von uns fordern und deshalb Worte des Gesetzes sind, haben nur den Sinn, dass jeder Mund verstopft werde und alle Welt vor Gott schuldig sei.
Sie sind nur den freien, sorglosen Gottesverächtern gesagt, die nie nach dem Himmel fragen, oder den sicheren Heuchlern und selbstgerechten Pharisäern, die selber den Himmel zu verdienen meinen, keineswegs aber den armen Sündern, die sich selber strafen und richten, die gern Buße und Glauben, Reue und Gebet haben wollen, dieselben aber nie so bei sich finden, wie sie möchten. Ihnen ist lauter Gnade, lauter Liebe und Vergebung zugesagt. „So kehret euch nun zur Festung, ihr, die ihr auf Hoffnung gefangenliegt“, spricht der Herr, „denn auch heute verkündige Ich, dass Ich dir Zwiefältiges vergelten will.“
„Auch heute“ — ja, auch heute verkündigt Er dir dieselbe Gnade!
„Auch heute“ predigt Er den Gebundenen Erlösung!
Wenn wir in den Passionstagen so viel vom Leiden Christi verkündigen hören und unserem Heiland auf Seiner Marterbahn folgen, wenn wir Ihn in Gethsemane Blut schwitzen sehen und Ihn am Kreuze in Bezug auf das ganze in der Schrift vorhergesagte Versöhnungsleiden ausrufen hören: „Es ist vollbracht!“ — ja, wenn wir Ihn auf Grund dieser Versöhnung den Schächer augenblicklich begnadigen sehen und erleben, wie Er ihm die ganze selige Frucht Seines Leidens mit der lieblichen Versicherung zusagt: „Heute noch wirst du mit Mir im Paradiese sein“, sollten wir dann nicht unserem ungläubigen Warten ein Ende machen und sogleich in Seine Arme laufen?
Sollten wir nicht Seine Arme auch gegen uns ausgestreckt sehen und die Worte aus Seinem Munde hören: „Auch heute verkündige Ich’s!“
„Kommt her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele!“?
Ja, noch einmal: „Ihr, die ihr auf Hoffnung gefangenliegt“, warum zögert ihr, euch zur Festung zu kehren? Wollt ihr selber würdiger werden, oder soll Gott gnädiger werden? Noch heute kehrt euch zur Festung, nehmt den so wichtigen Schritt, begehrt eine ganze Begnadigung und Aufnahme in Seinen Bund aus ganz unverdienter Gnade, nur um Seines Blutes willen!
Tut den wichtigen Schritt heute — und wisst, dass noch kein armer Sünder den Schritt vergebens getan hat. Denkt nicht an ein langes Gebet; seht, wie kurz der Schächer bat, der doch sofort die Trostantwort erhielt: „Heute wirst du mit Mir im Paradiese sein.“
Aber vor einem musst du dich hüten wie vor dem Tode, davor nämlich, die Antwort in deinem eigenen Herzen, in deinem Gefühl zu suchen. Erblicke sie in der Zusage Gottes: „Auch heute verkündige Ich, dass Ich dir Zwiefältiges vergelten will.“
Das heißt Gnade um Gnade. Gelobt sei Gott!
So wie ich bin, so arm und schlicht,
Dass mir’s am Guten ganz gebricht,
Nur weil ich weiß, dass Du für mich
Gestorben bist, so komme ich
Zu Dir, o Gotteslamm!
So wie ich bin, bevor ich gar
Vermocht, was ewig fruchtlos war,
Mich selbst zu machen frei und rein,
Zu Dir, der Du es kannst allein,
Komm ich, o Gotteslamm!
Aus dem ‘‘Täglichen Seelenbrot‘‘ von Olaf Rosenius
(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)