Ihr könnt nicht zwei Herren dienen!

Nun ihr frei von der Sünde geworden seid, seid ihr Knechte der Gerechtigkeit geworden. - Röm. 6, 18

 

Hier erhalten wir ganz besonderen Anlass zu merken, wessen Knechte wir sind, ob der Sünde oder der Gerechtigkeit. Ein jeder von uns kann nur eins von beiden sein. Der Apostel weiß nichts von Menschen, die sowohl Knechte der Sünde als auch der Gerechtigkeit sein würden.

Christus sagt ausdrücklich: „Ihr könnt nicht zwei Herren dienen.“ Es soll uns darum wichtig sein zu erfahren, wessen Knechte wir sind. Blicken wir auf alles, was sich in unser Leben hineinmischt, dann werden wir beständig irre und können nichts anderes erkennen, als dass wir zwei Herren dienen. So wollen es auch viele haben, um in ihrem dunklen und halben Wesen zu verbleiben, während es hingegen die größte Angst aufrichtiger Christen ist, dass es ihnen scheint, sie dienten zwei Herren.

 

Es gibt Menschen, die sonst tief denken und zum Teil fromm sind, so dass sie mit dem Worte Gottes umgehen, die aber doch dem Herzen und dem Sinne nach von der Welt und dem Götzendienst gefesselt sind, zuweilen aber auch Gott dienen wollen und meinen, dass dies doch gut und Gott wohlgefällig sein müsse. Diese wollen „zwei Herren dienen“. Mitunter seufzen die Gläubigen unter diesem beunruhigenden Gedanken, dass sie sagen: „Ich diene ja nicht nur Gott, sondern auch der Sünde. Wie soll ich wissen, wessen Knecht ich bin?“ Der ganze Fehler, weshalb sowohl der eine als auch der andere in Bezug darauf im Dunkeln ist, ist der, dass man nach seinem eigenen Gutdünken urteilt und nicht streng auf das Wort des Herrn achtgibt.

 

Zuerst müssen wir darum beachten, dass sowohl Christus als auch die Apostel ausdrücklich erklären, dass man nicht zu gleicher Zeit der Knecht zweier Herren sein kann. Wie aber gesagt, scheint es so, als dienten wir zwei Herren, indem Böses und Gutes sich bei uns zusammenmengt. Bei den Knechten der Sünde mischt sich oft etwas von einem guten Geist, von der Stimme des Gewissens und des Gnadenrufs hinein, während die Gläubigen dagegen bei sich viel von dem bösen Geiste, von der Einwirkung des Fleisches und der Welt fühlen. Sind wir dann Knechte zweier Herren? Nein, sagt der Apostel, davon hängt es nicht ab, inwieweit Böses oder Gutes sich bei euch regt oder euch zufällig zu einer bösen oder guten Tat bringt, sondern davon hängt es ab: „Welchem ihr euch begebet zu Knechten in Gehorsam, dessen Knechte seid ihr.“

 

Das Herz oder der Sinn gehört immer nur der einen der zwei streitenden Mächte an — wie auch der Herr zur Erklärung, weshalb niemand zwei Herren dienen kann, sagt: „Denn er wird entweder den einen hassen und den anderen lieben oder dem einen anhangen und den andern verachten.“ Merke, so spricht der Herr, und beachte, es hängt vom „Lieben“ oder „Hassen“, „Anhangen“ oder „Verachten“ ab. Da es uns aber scheint, dass auch Liebe und Hass wechseln, so scheint es den Gläubigen oft, sie liebten die Sünde und verachteten Gott. Wie soll uns das klarwerden? Dass derjenige ein Knecht der Sünde ist, der frei und frech in den offenbaren Werken des Fleisches, in dem Geiz, der Unzucht, dem Trunk, der Unehrlichkeit und dem Hass usw. lebt und sich nicht zur Buße strafen und ermahnen lässt, das verstehen wir leicht. In Bezug auf ihn ist das Wort Christi klar: „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.“ Wenn aber falsche Christen, die mit dem Worte und dem Volke Gottes umgehen, Christus und Belial vereinigen und sowohl Gott als auch der Welt dienen wollen oder wenn schwache Christen mit schweren Versuchungen und anstößigen Gebrechen kämpfen, dann wird die Frage schwierig.

Beachte darum genau, wie der Apostel redet: „Welchem ihr euch begebet zu Knechten in Gehorsam, dessen Knechte seid ihr“ (Vers 16) Alles beruht darauf, welchem ihr „euch hingebt“, welchem ihr „von Herzen gehorsam“ seid, welchem ihr mit dem eigentlichen Sinn huldigt — und nicht, welchem ihr nur zufällig oder aus Zwang dient. Dass auch diejenigen, die dem Geiste nach die Gerechtigkeit innig lieben, trotzdem oft die Lüste des Fleisches mächtig fühlen oder von ihnen übereilt werden und fallen, muss uns nicht irremachen. Denn weil sie doch von Herzen gehorsam sind, wirklich die Gerechtigkeit lieben und ihr dienen, so sind sie wahrlich nicht Knechte der Sünde. Wir dürfen nie die Hauptregel vergessen: „Wem ihr euch hingebt, wem ihr von Herzen gehorsam seid, dessen Knechte seid ihr.“ Das ganze Leben der Gläubigen ist auf Christus gerichtet, wie die Sünde sie auch hindern, entstellen und plagen mag. Sollte der Sinn wieder falsch werden, so dass man sich aufs Neue der Sünde hingibt und darum nicht mehr am Gnadenstuhle lebt, um sowohl Vergebung für als auch Kraft gegen das Böse zu erhalten, sondern dass man sich hingibt, der Sünde zu dienen und einen neuen Bund mit ihr macht, ihren Lüsten zu folgen, dann ist das Unglückliche geschehen, von dem Petrus sagt: „Von wem jemand überwunden ist, dessen Knecht ist er geworden.“ Denn „überwunden“ nennt man nicht den, der während des Streites gewisse Niederlagen erleidet, der aber noch fortfährt zu streiten, sondern den, der sich ergeben und die Waffen niedergelegt hat; wie Petrus sagt: „Der, der sich gekehrt hat von dem heiligen Gebot, das ihm gegeben ist.“ Solange man aber noch Streit führt, und zwar nicht wie ein Knecht unter dem Gesetz, sondern mit dem Glaubensauge auf Christus gerichtet, ist man nicht überwunden; man hat sich nicht hingegeben, der Sünde zu dienen. So beruht alles darauf, welchem ihr euch hingebt, ihm zu gehorchen.

Römerbrief

 

Man muss hier immer wie auf Schlangen geh’n,

Die leicht ihr Gift in unsre Fersen bringen;

Da kostet’s Müh, auf der Hut zu stehn,

Dass nicht das Gift kann in die Seele dringen.

Wenn man’s versucht, so spürt man mit der Zeit

Die Wichtigkeit.

 

Aus dem ‘‘Täglichen Seelenbrot‘‘ von Olaf Rosenius

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)