Gibt es diesen tiefen festen Glauben in mir?
Kommt her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ... so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Matth. 11, 28–29
Diese liebliche Botschaft ist für unglückliche, arme und gebundene Menschen, die über ihre vorgenommene Bekehrung mutlos sind. Das Evangelium sagt ihnen zu, dass alles, was sie so ängstlich und erfolglos bei sich selber gesucht haben oder durch Besserung, Reue, Gebet und Streit zu gewinnen trachteten, schon von einem Manne ihnen erworben und gewonnen, ja in einem ewigen Testament ihnen zugesichert ist. Wenn sie anfangen, solches zu verstehen, dann bleibt es nicht ohne Frucht; es hat eine unwillkürliche Wirkung auf ihr Herz, es entzündet bei ihnen den wahren, lebendigen, seligmachenden Glauben. Hier entsteht ein Verwundern, ein Fragen, hier entstehen Freude und Hoffnung; dort vermehrte Sorge und Reue, hier Gewissheit und Freude — alles durch dasselbe Leben erregende Evangelium, alles durch denselben angezündeten Glauben.
Der eine fängt an, sich zu verwundern und zu fragen: „Soll das so verstanden werden? Darf auch ich kommen?“ Und ein Trachten nach Christus, Hunger und Durst nach Seiner Gerechtigkeit erfüllen das Herz. Ein anderer wird noch betrübter als zuvor; das unter dem Gesetz vertrocknete und starr gewordene Herz beginnt durch die große Liebe Christi zu schmelzen, so dass eine neue Sorge entsteht, vereinigt mit Hoffnung und inniger Sehnsucht danach, jetzt dieser Liebe und Gnade teilhaftig zu werden. Ein dritter wird auf einmal aus der tiefsten Not zu der größten Freude und Gewissheit entrückt.
Hierin sind die Wege des Heiligen Geistes unter verschiedenartigen Umständen verschieden.
Ihre niedergedrückten Herzen, ihre auf sich selbst und ihre eigene Gerechtigkeit gewandten Augen werden nun auf ein anderes Ziel gerichtet, aufwärts auf den Gekreuzigten, von ihrer eigenen Gerechtigkeit auf Seine Gerechtigkeit, von ihrem Gehorsam auf Seinen Gehorsam, von ihrer Reue auf Seine Angst, von ihren eigenen Gebeten auf Seine Gebete, so dass ihre ganze Hoffnung auf Rettung, ihre ganze Sehnsucht, ihr ganzes Trachten jetzt auf Ihn gerichtet sind. Sieh, bei diesen allen ist ein seligmachender Glaube angezündet, nämlich der Glaube, den Christus so oft bei denen pries, die zu Ihm kamen, um Gnade und Hilfe zu suchen: Die kranke Frau bei Matth.9, die von hinten zu Jesus trat und Seines Kleides Saum anrührte, um von ihrer Krankheit geheilt zu werden, — sie wurde gesund zu derselben Stunde, und Jesus sprach: „Sei getrost, Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen!“ Ebenso die Sünderin, die in Simons Haus mit ihren Tränen Jesu Füße netzte und die Zusage erhielt: „Dir sind deine Sünden vergeben, dein Glaube hat dir geholfen; gehe hin mit Frieden.“
Von diesen Beispielen sagt Luther: „Sie haben das gute Gerücht (Evangelium) gehört, dass Christus der Mann sei, der allen hülfe und alle tröstete; diesem Gerücht hatten sie geglaubt und kamen deshalb zu Ihm, getrieben von der Not; hätten sie nicht geglaubt, so wären sie nicht gekommen.“ Aber beachte! Dieser Glaube hatte sich nur in einem Suchen, in einem Kommen und Anrufen des Namens des Herrn geäußert, und Jesus sagte dennoch, dass es ein wirklicher Glaube, ein helfender Glaube sei, indem Er gerade von diesem sagte: „Dein Glaube hat dir geholfen.“
Solches Kommen, Hungern, Dürsten, solcher Kampf und solches Suchen äußerten sich auch bei dem Vater des mondsüchtigen Knaben, als er weinend ausrief: „Ich glaube, lieber Herr, hilf meinem Unglauben!“, sowie bei der Braut im Hohenliede, als sie in der Nacht in der Stadt umherlief und die Wächter fragte: „Habt ihr nicht gesehen, den meine Seele liebt?“, ebenso bei dem Patriarchen Jakob, als er ausrief: „Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn.“
Dieser suchende, anrufende, hungernde und dürstende Glaube ist der eigentlich seligmachende Glaube, weil er sich auf Christus gründet und, an allen eigenen Versuchen verzweifelnd, seine Rettung in Ihm allein sucht.
Diesem Glauben folgt, früher oder später, ein anderer Grad des Glaubens, ein Finden, eine Gewissheit, eine Antwort, so dass die Braut nun spricht: „Ich habe gefunden, den meine Seele liebt, Er ist mein und ich bin Sein.“
Dann fällt die Decke von den Augen, mein Sinn wird erleuchtet, so dass ich nun auf einmal sehe, was ich früher nicht sehen konnte, wie nämlich alles das in Christus vollbracht ist, wonach ich suchte, wie alle meine Sünden und Unreinigkeiten, meine ganze Kälte, Härte und Trägheit in Ihm teuer genug gesühnt, bezahlt, getilgt, ja in die Tiefe des Meeres versenkt sind, und dass ich einzig und allein um des Unglaubens willen so unglücklich einhergegangen bin. Nun aber sage ich: „Ist Einer für alle gestorben, so sind sie alle gestorben.“ (2. Kor. 5)
Ich bin in Christus auferstanden.
Das ist die volle Glaubensgewissheit.
Und ihr folgt immer ein Friede, ein seliger Friede, ein Friede Gottes, nämlich Friede im Gewissen von allen nagenden Sünden, denn sie sind jetzt alle getilgt, vergeben. Daraus folgt eine vertrauliche Freundschaft mit Gott, von der der Apostel sagt: „Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus.“
Brich, Seele, aus in Jubelfreud,
Denn Jesus ist nun mein!
Er, Er ist meine Seligkeit
Und wird es immer sein.
Er ist mir mehr als Geld und Gold
Und mehr als täglich Brot,
Vergeben hat Er mir so hold,
Erlöst aus aller Not.
Wer treulich kämpft, bringt auch den guten Lohn
Zuletzt davon.
Entnommen aus dem Buch von Mag. Olof Rosenius – ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘
(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)