C.O. Rosenius - Andacht aus "Tägliches Seelenbrot"
Ein ausharrender Beter werden
Wahrlich, Ich sage euch: So ihr den Vater etwas bitten werdet in Meinem Namen, so wird Er es euch geben. Joh. 16, 23
Sicher hat schon mancher gedacht: „Was nützt es, dass ich bete? Mein Gebet ist ja so schwach, so gering und unwürdig, dass Gott mich nicht hören kann.“ Antwort: Möge Gott dich davor bewahren, deinen Glauben auf die Tüchtigkeit deines eigenen Gebetes zu gründen. Das tust du, wenn du auf Grund der Unwürdigkeit desselben an der Erhörung zweifelst. Sollst du denn in deinem eigenen Namen beten? Hat Christus dir nicht die Erlaubnis gegeben, in Seinem Namen zum Vater zu gehen und auf Seine Rechnung hin, auf den von Ihm eingesetzten Wert Seiner Fürbitte und Seines Lebens und Blutes hin alles zu nehmen? Hat Er nicht ungefähr so gesagt: „Bisher habt ihr um nichts gebeten in Meinem Namen, aber bittet nun in Meinem Namen, und alles, um das ihr den Vater bitten werdet in Meinem Namen, wird Er euch geben.“ Sage darum der Eingebung deiner Unwürdigkeit zum Trotz: „Ich bedarf durchaus nicht der Würdigkeit meines eigenen Gebetes. Ich habe eine schriftliche Anweisung von dem großen Herrn, dem eingeborenen Sohn Gottes. Er hat mich geheißen, in Seinem Namen zum Vater zu gehen und mir gesagt: Alles, um das ihr den Vater bitten werdet in Meinem Namen, das wird Er euch geben.“
Sieh, wenn diese Anweisung, die den Namen Jesu trägt, dem Vater vorgezeigt wird, dann hat dein Gebet eine Kraft und Bedeutung, die herrlich zureicht. - Gott legt ja den größten Wert auf Seinen Befehl sowie auf unsere Befolgung desselben. Hat Er nun selber dir zu beten befohlen, dann handelst du doch nur nach Seinem Befehl, und um Seines Befehls willen wird dein Gebet Kraft und Wert haben. Würde Er auf die Person sehen, dann könnte kein Mensch vor Ihn treten. Wir lesen darüber in einem unserer symbolischen Bücher folgende Worte Luthers: „Darum musst du also sagen: Meine Gebete sind nicht geringer, weniger heilig oder Gott angenehm, als die eines Paulus und der allergrößten Heiligen gewesen sind. Die Ursache ist folgende: Ich räume ihnen gern ein, dass sie, was ihre Person betrifft, in ihrem Wandel heiliger gewesen sind; ich gebe ihnen aber hinsichtlich des Gebotes in Bezug auf das Gebet nichts nach; denn ich bin dessen gewiss, dass Gott keineswegs das Gebet um der Person willen, sondern um Seines Wortes und des Gehorsams willen ansieht, den man Ihm erweist.“ Da ich nun dasselbe Gebot und dasselbe Verdienst Christi habe, so gut wie alle Heiligen, brauche ich mein Gebet auch nicht für weniger wichtig oder heilig zu halten als das ihre.
Hier ist nun der Glaube, diese teure Gabe, erforderlich, vor allem wenn das, was du begehrst, ganz und gar unmöglich zu sein scheint und wenn Gott lange mit der Erhörung verzieht. Stelle doch einmal eine gründliche Untersuchung darüber an, ob irgendetwas vor Gott unmöglich sein kann. Diese Untersuchung kann nicht nur auf den heiligen Blättern der Bibel angestellt werden - wie z.B. in dem Bericht von der Ausführung der Israeliten aus Ägypten oder von ihrem Durchgang durchs Rote Meer, von Daniel in der Löwengrube, von den drei Männern im feurigen Ofen und von dem, was bei Daniel im zweiten Kapitel oder von allen Wundern Christi im Neuen Testament geschrieben steht, - sondern du kannst sie auch bei den Wunderwerken am Himmelsgewölbe und an den Wundern in der Natur anstellen. Kannst du dann noch fragen, ob irgendetwas vor Gott unmöglich sein kann?
Und wenn Er verzieht, so denke an alle Heiligen, die in demselben Prüfungsofen gelegen haben, und wisse, dass es zur Kur gehört. Du brauchst es zur Übung deines Glaubens, deines Gebetes, deiner Demut und deiner Geduld.
Kannst du aber nicht so viel Gutes von deinem Gott glauben, so denke an die Witwe bei Lukas 18, von der Christus sagt, dass sie sich in ihrer Not an einen bösen Mann gewendet habe, an einen Richter, der sich nicht vor Gott fürchtete und sich vor keinem Menschen scheute, weshalb er ihr eine Zeitlang nicht helfen wollte; aber endlich dachte er bei sich selbst: „Ob ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor einem Menschen scheue, weil aber diese Witwe mir so viele Mühe macht, will ich sie retten, auf dass sie nicht zuletzt komme und überrede mich.“
Da sprach der Herr: „Hört hier, was der ungerechte Richter sagt. Sollte aber Gott nicht auch retten Seine Auserwählten, die zu Ihm Tag und Nacht rufen, und sollte Er’s mit ihnen verziehen? Ich sage euch: Er wird sie erretten in einer Kürze.“
Wunderbare Herzensgesinnung, dass Jesus, um uns zum Glauben zu bewegen, ein solches Gleichnis von Seinem liebreichen Vater nennt! Sollten wir uns nicht über unseren Unglauben schämen und davor zurückschrecken? Gott sollte doch wohl ein besseres Herz haben als dieser Richter, und doch war der Richter nicht unüberwindlich! „Sollte Gott sich vergeblich Tag und Nacht anrufen lassen? Sollte Er nicht Geduld darüber haben?“, spricht Jesus.
Gott verleihe nun einem jeden Christen mehr Fleiß und Glauben im Gebet, dann würde das Werk Gottes sowohl in ihm als auch um ihn her mehr zunehmen. Die fleißigen Beter haben immer wunderbar an Gnade und Weisheit, an Gaben und Kräften zugenommen. Siehst du in dieser Beziehung einen reicheren und fruchtbringenderen Christen, so wisse, dass dieser manchen Kniefall vor Gott getan hat. Darum weiß man auch, dass die alten Heiligen ausgezeichnete Beter waren wie z.B. David, Daniel und andere.
Vom Evangelisten Johannes wird berichtet, dass die Haut unter seinen Knien ebenso dick wie die unter seinen Füßen gewesen ist, weil er so viel auf den Knien zu liegen pflegte. Prätorius sagt: „Ich habe mit keinem Menschen so viel wie mit Gott geredet.“
Aus ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘ Andacht zum 10 Mai von Carl Olaf Rosenius
(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)