Der erste Tag der Woche, der Sonntag,
ist dem HERRN heilig!

 

Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest! 
2. Mose 20, 8 

  

Gott der Herr legt ein besonderes Gewicht auf die Heilighaltung des Sonntags. Das gibt Er deutlich dadurch zu erkennen, dass Er nicht einfach befiehlt: „Du sollst den Feiertag heiligen“, sondern uns auffordert, im Voraus daran zu denken. Eine weniger wichtige Sache kann man sogleich unternehmen, ohne im Voraus daran denken zu müssen; eine Sache aber, an die man im Voraus denken soll, muss von einer besonderen Wichtigkeit und Bedeutung sein. Sodann kann man aus diesen Worten erkennen, dass wir auch unsere irdischen Angelegenheiten im Voraus so einrichten sollen, dass es uns möglich werden kann, einen ungestörten Sonntag zu erhalten. Viele büßen seinen Segen, die Ruhe der Seele in Gott und Seinem Worte nur dadurch ein, dass sie des Sonntags nicht im Voraus gedenken, ihn nicht von solchen Geschäften und Besuchen freihalten, die sie und ihr Haus an der Heilighaltung desselben hindern. Viele leiden an Abhaltungen, die sie selbst hätten beseitigen können, wenn sie das Wort des Herrn befolgt hätten: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest.“

 

Aber was sollen wir tun, um den Feiertag zu heiligen? Wie wird der Sonntag geheiligt, und wie wird er entheiligt? Unser Lehrvater Luther drückt es in einer kurzen, aber inhaltsreichen Zusammenfassung so aus: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und Sein Wort nicht verachten, sondern dasselbe heilig halten, gerne hören und lernen.“ Das ist es, was das Gebot des Sonntags im Geist des Neuen Testamentes fordert. Wenn wir einen solchen Sinn haben, der Gottes Wort liebt, dann werden wir sicherlich auch im Werk und in der Tat den Ruhetag heiligen. Zwar ist es sehr schwer, die äußere Beschäftigung so vorzuschreiben, dass sie für jeden Fall und für jede Gelegenheit passt; zum anderen ist der Sonntag auch durch die vortrefflichsten Andachtsübungen und die schönsten Taten nicht geheiligt, wenn sie nicht aus der Gottesfurcht und aus der Liebe zu Gott und Seinem Wort fließen; denn ohne diese sind sie vor Gott nichts anderes als Heuchelei.

 

Der Geist der Gottesfurcht und der Liebe muss im Herzen wohnen, dann wird er dir auch für jeden besonderen Fall das sagen, was du in Bezug auf das Äußere tun und lassen musst.

 

Die Hauptsache ist nur, dass wir Gott so fürchten und lieben, dass wir Sein Wort nicht verachten, sondern dasselbe heilig halten, gern hören und lernen.

 

Demnach verbietet das dritte Gebot also, ein gottloses und irdisch gesinntes Herz zu haben, das das heilige Wort verachtet und darum auch am Tage des Herrn glaubt, das tun zu können, was ihm gefällt. Werfen wir nur einen Blick hinaus in die Welt und darauf, wie es im Allgemeinen zuzugehen pflegt, so stoßen wir auf so betrübliche und merkwürdige Umstände, dass man nur enttäuscht sein kann.

 

Hier nur zwei Tatsachen: Die ersten Worte, die wir in der Schrift über die Stiftung des Sabbats finden, sind diese: „Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn.“ Er ist also ein von Gott „gesegneter“ Tag. Wir müssen auch von ganzem Herzen bekennen, dass er ein gesegneter Tag vor allen anderen wurde, ein Tag, an dem Gott dem Menschen besonders begegnen und einen Segen über ihn ausgießen will, den nur der unendliche Lobgesang der Ewigkeiten aus dem Munde der seligen Scharen vor Gottes Thron recht wird preisen können — einen Segen von hoher, himmlischer Natur, der sich in unendliche Seligkeit auflöst.

 

Weiter heißt es: „Gott heiligte den Tag.“ Er sollte ein heiliger Tag vor allen anderen Tagen sein, ausgesondert nur für heilige und himmlische Dinge. Doch welch ein Anblick! Welch ein sonderbares Schauspiel, wenn wir bedenken, was dieser Tag für die Welt, für den ungläubigen Menschen geworden ist: In beiden eben genannten Hinsichten wurde er der grellste Gegensatz, der größte Fluch und der unheiligste Tag aller Tage. Die Arbeitstage können nach dem Gebrauch der Welt heilig genannt werden im Vergleich mit dem Ruhetag. Die meisten Kinder der Welt verrichten an den Arbeitstagen nur die erlaubten Werke ihres Berufes, am Sonntag aber muss man hinaus, um seinen Vergnügungen nachzugehen.

 

Und dazu muss man das haben, was das Herz begehrt, man braucht die Sünde, die Befriedigung der fleischlichen Lüste.

 

Der eine tut es in gröberen Lüsten, als da sind Schlemmerei, Trunksucht oder nächtliche Ausschweifungen; ein anderer in feinerer Weise, in bloßer Trägheit oder im Zeitvertreib, in verfänglichen Reden und leichtsinnigen Gesellschaften, Theatern und Spielen, — wobei auch das, was an anderen Tagen unschuldig wäre wie zum Beispiel irdische Arbeit, weltliche Studien u.a. an dem vom Herrn geheiligten Ruhetage offenbare Sünde wird.

 

Kurz: Wie es im Allgemeinen zuzugehen pflegt, so muss man dem Worte recht geben: „Der Sonntag ist der Sündentag.“

 

Dass aber der Sabbat zum Fluch wird, geschieht auch noch in einer feineren, einer geistlichen und verborgenen Weise, nämlich bei denen, die zwar äußerlich den Sonntag durch regelmäßigen Kirchgang und äußerlichen Gebrauch des Wortes halten, dies jedoch ohne Ehrfurcht und die heilige Furcht vor dem Herrn, der im Worte mit ihnen redet, und ohne Bußfertigkeit und Gehorsam. Sie haben darum auch so wenig Segen von ihrem Hören, dass es ihnen besser gewesen wäre, wenn sie an diesem Tage irdische Arbeit verrichtet hätten. Sie haben als Frucht ihres Hörens nur eine Verhärtung und Verstockung.

 

Denn je mehr sich ein Sinn daran gewöhnt, das Wort Gottes vergeblich zu hören, desto mehr wird er abgestumpft und verhärtet.

 

Und wer nicht mit Aufrichtigkeit vor dem Herrn Seinem Worte sofort gehorchen und dasselbe befolgen will, der wird ebenfalls vom Hören nur verhärtet.

 

So wird der Tag, den Gott der Herr segnete, einem unbußfertigen und falschen Sinn zum Fluch.

Aus dem ‘‘Täglichen Seelenbrot‘‘ von Olaf Rosenius
(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)