Alles und in allen Christus!

Alles und in allen Christus! - Kol. 3, 11

 

Welch ein starker Donnerschlag über die ganze Fülle der Irrtümer der Eigengerechtigkeit! Aber auch welch eine reiche Quelle der Lehre, des Trostes und der Erquickung für die Elenden in allen möglichen geistlichen Nöten und Besorgnissen! „Alles und in allen Christus!“ Dies ist das Geheimnis sowohl der Gerechtigkeit als auch der Heiligung eines Christen sowie seiner Stärke und seines Bestehens in der Gnade. Dies ist auch das Geheimnis des wunderbaren Friedens, der Freude und der Freimütigkeit, die man bei gewissen Menschen auch inmitten der größten Schwachheit und des größten Elends sieht.

 

„Alles und in allen Christus!“ Dieser Satz ist leicht gelernt, was die Worte und die Bedeutung betrifft. Viele werden auch meinen, sie hätten nichts mehr daran zu lernen; aber es ist doch gerade dieses Stück, das uns immer fehlt, sooft Not und Sorgen sich einstellen. „Alles und in allen Christus“, das ist auch die Beschreibung dessen, was ein rechter Christ heißen will, zum Unterschied von allen anderen Arten von Frommen. Ein wiedergeborener Christ ist nämlich ein Mensch, für den Christus alles in allem geworden ist. Viele sind religiös, halten aber im Herzen andere Dinge für wichtiger als Christus, weshalb ihre Gedanken und ihre Worte sich auch mehr um diese als um Christus drehen, wie Er selber sagt: „Ihr meint, ihr habt das ewige Leben in der Schrift; aber zu Mir wollt ihr nicht kommen, dass ihr das Leben haben möchtet.“ Und was dem Herzen am meisten gilt, merkt man sehr wohl an der Sprache. „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ Sie werden auch dieses Wort und diese Bemerkung lesen und hören können, ohne so aufrichtig gegen sich zu sein, dass sie darauf achtgäben, wie es mit ihnen bewandt ist. Und obwohl sie daran erinnert und von ihrer Heuchelei und ihrem finsteren Selbstverrat überzeugt werden und selber fühlen, dass es sie betrifft, können sie doch so abgestumpft sein, dass sie nicht mehr vermögen, aufrichtig gegen sich selber zu werden.

 

Daneben gibt es Menschen, die in einer anderen Weise diese Lehre „Alles und in allen Christus“ nötig haben, die dem Reich Gottes ganz nahe sind — auch unter denen, die einen wirklichen Glauben an Christus haben —, die aber doch nicht wissen, was sie an Ihm haben, wiewohl dieses sicher kein Christ vollkommen weiß. Sie machen sich viele Sorgen, die, wenn man denselben auch nicht ganz entgehen kann, doch ihr Leben nicht so niederbeugen würden, wenn sie nur wüssten, was sie in ihrem Herrn Christus haben. Johannes sagt, dass es solche gibt, die „an den Namen des Sohnes Gottes glauben, aber nicht wissen, dass sie ewiges Leben in Ihm haben“.

 

„Ich kann nie in der Gnade bestehen bleiben“, seufzt der eine, „man sieht, wie viele haben abfallen können und wie viele und mannigfache Gefahren es gibt. Was wird mit mir geschehen, der ich so jämmerlich schwach bin, der ich ein so zur Sünde geneigtes Fleisch, ein so leichtsinniges, weltliches und heuchlerisches Herz habe?“ — Ein anderer klagt: „Ich werde nie etwas anderes als ein Sklave unter der Sünde. Ich sehe das Böse, kann demselben aber nicht widerstehen. Ich habe versucht zu glauben, zu beten, zu wachen und zu streiten und habe gedacht, dass ich doch endlich die rechte, gründliche, dauerhafte Heiligung bei mir finden würde; aber nein, ich werde je länger desto ärger!“ — Ein dritter seufzt: „Meine Sünde ist immer vor mir! Ich erhalte keinen Frieden und keine Gewissheit, dass ich die Gnade Gottes und die Vergebung meiner begangenen Sünden habe; denn ich fühle noch immer die Anklagen im Gewissen und kann außerdem nie werden, wie ein Christ sein soll.“ — Ein vierter: „Mit mir ist es so viel ärger, dass ich nicht einmal meine Sünden, meinen Zustand fühlen, bereuen und mich davor fürchten kann, sondern ich gehe ganz tot, kalt und gleichgültig einher“ usw.

 

In all diesen Bekümmernissen und Seelennöten ist der Hauptfehler stets der, dass man Christus so ganz und gar vergisst, Ihn geflissentlich übersieht und in seinem Tagesablauf nicht an Ihn denkt, sondern Ihn zu einem Nichts macht, weil man in seinem Innern so dahinlebt, als gäbe es keinen Christus, keinen Heiland, keine hinreichende Gerechtigkeit vor Gott, keinen allmächtigen Helfer, keinen zärtlichen Hirten — ja als wären wir uns selber überlassen und als müsste ein jeder sein eigner Heiland sein und selber die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, zuwege bringen, selber sein Hirte, sein Helfer, seine Stärke, sein Alles in allem sein. Sieh, diese grässliche Finsternis des Unglaubens ist der Grund alles Bösen.

 

Denn alles würde gut und allem würde abgeholfen werden, wenn Christus nur alles in allem sein dürfte, so wie er uns von Gott gegeben und gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung.

 

Jesum, Jesum musst du haben,

Ohn’ Ihn schmachtest du vergebens;

Er nur bietet dir das Wasser

Und das Brot des ew’gen Lebens.

Jesum, Jesum musst du haben!

Graut dir unterm Fluch der Sünde,

Er allein kann dich erlösen;

 

Drum auf Ihn dein Herz sich gründe!

 

Entnommen aus dem Buch von Mag. Olof Rosenius – ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)