Abschied vom alten Sündenleben

Carl Olof Rosenius

Wie sollten wir in der Sünde leben wollen, der wir abgestorben sind? - Röm. 6, 2

 

Dass wir der Sünde abgestorben sind, erklärt der Apostel V. 3–11 so, dass wir in der Taufe zur Gemeinschaft und Gleichheit des Todes und des Lebens Christi geweiht sind. Wir sind „samt Christus gepflanzt“, sagt er, zu gleichem Tod wie der Seinige, der ein „der Sünde Sterben“ war. Gleichwie Christus in Seinem Tod Abschied nahm von unseren Sünden, die Er nicht mehr tragen wird, so sind alle Gläubigen in der Taufe „gepflanzt zu gleichem Tode“, haben Abschied genommen von ihrem alten Sündenleben, so dass sie hinfort der Sünde nicht dienen werden.

 

Wenn wir dies aber so verstehen würden, wie es von denen verstanden wird, die nichts von einer neuen Geburt wissen, nämlich dass es nur ein Bund, ein Gelübde in der Taufe ist, wodurch wir verpflichtet werden, der Sünde abzusterben und Gott zu leben, dann haben wir wahrlich noch nicht die Meinung des Apostels in den Worten „der Sünde abgestorben“ verstanden. Gewiss ist es auch ein Bund, aber damit ist nicht die ganze Sache ausgesprochen. Gleichwie die Trauung und das Gelöbnis noch nicht einen guten Ehegatten machen, sondern dazu auch ein inneres Werk, das der Liebe, vonnöten ist, und gleichwie die Predigerweihe und der Eid nicht einen wahren Seelsorger machen, sondern dazu noch ein für die Seelen sorgender Geist notwendig ist, so bewirken auch die bloße Taufe und der bloße Bund nicht, dass man „der Sünde abgestorben ist“, wenn nicht ein göttliches Werk in der Seele hinzukommt. Christus redet von einer Geburt aus dem Wasser und dem Geist. Der Apostel redet von dem Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des Heiligen Geistes.

 

Solche Worte erklären uns das Geheimnis und die volle Bedeutung der Worte „wir, die wir der Sünde abgestorben sind“. Der Apostel redet hier nicht von falschen Christen, von einigen Ungläubigen, die getauft waren, sondern er bezieht sich auf diejenigen, die wahrhaftig „empfangen die Fülle der Gnade und der Gabe zur Gerechtigkeit, In diesen ist ein göttliches Leben, ein Geist, der die Sünde nicht dulden kann; und hier wird es Wahrheit und Wirklichkeit, dass sie „der Sünde abgestorben sind“.

 

Dies ist die zweite herrliche Gabe, die uns mit dem Glauben gegeben wird, nämlich dieses Werk des Geistes in der Seele, dass wir aus Gott geboren sind, ein neues Herz, einen neuen Sinn und einen neuen Geist haben, der nicht in der Sünde leben kann. Das ist es, was am besten durch die Erfahrung erklärt wird. Während ich nämlich unter dem Gesetz vergeblich kämpfte, um einen heiligen Sinn zu erhalten, aber immer erfuhr, dass in demselben Grade, wie die Sünde gehemmt wurde, die innere Bosheit zunahm, durfte ich dagegen, als ich an aller eigenen Arbeit verzweifelte, erfahren, wie ich durch den Glauben mit einem Male aus lauter Gnade selig wurde; und jetzt sah ich mich von allen Sünden und den Urteilen des Gesetzes allein durch Christus befreit. Zugleich empfing ich eine ganz neue, mir zuvor unbekannte heilige Gesinnung und Lust in meinem Herzen, einen neuen, willigen, heiligen Sinn, der jetzt das Gesetz Gottes herzlich liebte und das Böse hasste, das ich in mir fühlte.

 

Derselbe weltliche, sündliche Lebenswandel, der zuvor meine Lust und mein Leben war, wurde jetzt meine Plage. Dieses wunderbare Werk in der Seele erwähnt Johannes: „Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde, denn der Same Gottes bleibt bei ihm; er kann nicht sündigen.“ „Er kann nicht sündigen“, sagt der Apostel. Das ist die merkwürdigste Erfahrung, dass ein Christ, wenn auch die grässlichsten Versuchungen ihn plagen oder auch übereilen und zu Boden werfen, doch nicht in der Sünde verbleiben kann, solange „der Same Gottes“ bei ihm bleibt. Er kann nicht Sünde tun, d.h. er kann nicht freiwillig die Sünde ausüben, was Paulus hier „in derselben leben zu wollen“ nennt; sondern ob er auch von derselben zu Boden geworfen wird, so fällt er doch wie ins Feuer oder ins Wasser, worin man nicht leben kann, sondern woraus man stets herauszukommen eilt. So ergeht es dem, der „aus Gott geboren ist“. Ein Fall bewirkt nur eine neue, größere Angst und Furcht vor der Sünde, so dass er aufs Neue, nur noch wachsamer und gottesfürchtiger, den guten Weg zu wandeln anfängt, solange der Same Gottes bei ihm bleibt.

 

Ein Christ ist so beschaffen, dass ihm wohl und er in seinem rechten Lebenselement ist, wenn er vor der Sünde in Frieden sein und den Weg der Gebote Gottes wandeln kann. Wenn er aber von der Sünde angefochten wird, dann wird er erschrecken, geplagt und unruhig sein, als ob er von einem Feinde angefallen würde. Daraus merkt man sehr wohl, dass sein rechtes Leben Heiligkeit ist, dass er „der Sünde abgestorben ist“. Hierüber lauten Luthers bekannte Worte: „Es ist unmöglich, dass nicht der ein heiliger Mensch sei, welcher von der Sünde (davon, dass er gegen seinen Gott sündigt) leidet; denn der eine Teufel treibt nicht den andern aus.“

 

Das ist dieses göttliche Werk in der Seele, welches bewirkt — was sogar die Welt sieht und wovor sie erschrickt —, dass diejenigen, die im Evangelium Christi zu leben anfangen, auch von dem Wesen der Welt und von dem ganzen früheren Sündenleben Abschied nehmen und hinfort einen ganz anderen Weg durch das Leben wandeln.

 

Diese Tatsache erklärt gewiss die Worte des Apostels: Wir, die wir der Sünde abgestorben sind“. ( Römerbrief )

 

Ich bin getauft auf Deinen Namen

Gott Vater, Sohn und Heil’ger Geist;

Ich bin gezählt zu Deinem Samen,

Zum Volk, das Dir geheiligt heißt;

Ich bin in Christi Tod versenkt

Und bin mit Seinem Geist beschenkt.

 

 

Entnommen aus dem Buch von Mag. Olof Rosenius – ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)