Friedrich Wilhelm Krummacher 1796 – 1868
Wortgewaltiger Erweckungsprediger in Wuppertal (Barmen und später Elberfeld) und am Lebensende Hofprediger Friedrich Wilhelm des IV. in Berlin.
Bekannt auch durch seine weitverbreiteten Predigtsammlungen über Elia, Elisa, Hohelied usw., die teilweise heute noch aufgelegt werden. Verfasser vieler Lieder u.a. "Mein Siegeskranz ist längst geflochten", „Du Stern in allen Nächten".
Der folgende Auszug ist dem Predigtband „Elias, der Tisbiter" entnommen
Es fliegen keine Adler mehr durch den Kirchenhimmel
„Und er ging von dannen und fand Elisa, den Sohn Saphats, welcher gerade pflügte mit zwölf Joch Rindern vor sich her, und er war bei dem zwölften; und Elia ging zu ihm hin und warf seinen Mantel auf ihn." (1. Kön. 19,19)
Elia fand Elisa hinter dem Pflug. Das diese Begebenheit uns ausdrücklich berichtet wird, geschieht nicht ohne Absicht. Wir bekommen dadurch ein schönes Bild von dem Mann, der bei allen Gaben, mit denen er zweifellos ausgerüstet war, dennoch klein und gering blieb und ein demütiges und anspruchloses Leben führte.
Ein anderer wäre an seiner Stelle längst auf den Gedanken gekommen, er sei zu gut für den Pflug, er dürfe der Menschheit sein Talent nicht vorenthalten, er müsse studieren und dann hinaus auf den Schauplatz des öffentlichen Wirkens. Aber so etwas kam dem Elisa nicht in den Sinn. Seine Ansprüche gingen über den Pflug nicht hinaus, er sah in den stillen, ländlichen Arbeiten seine Aufgabe, war damit zufrieden und trachtete nicht nach hohen Dingen.
Wieviel liebenswürdiger ist diese Gesinnung, als die entgegengesetzte Richtung, der man heute so häufig unter den Christen begegnet. „Arbeit für den Herrn!" ist die Losung unserer Zeit geworden. Wir freuen uns darüber, allerdings mit gemischten Gefühlen. Es ist des eitlen Wesens und selbstgefälligen Vordrängens zu viel, welches leider auch auf diesem Gebiet sichtbar wird.
Kaum, daß einer heut zu Tage etwas göttliche Gabe bei sich zu haben glaubt, so schämt er sich nicht, sich als einen Pfeiler der Kirche Gottes anzusehen. Sein Beruf und Stand, indem er sich befindet, genügt dann nicht mehr und es ist die Rede von einer höheren Berufung, zu der man sich geboren fühlt. Da muß man ein Prediger, ein Missionar, ein Lehrer werden. Und doch ist die „innere Gottesstimme", worauf man sich dann so gerne zu berufen pflegt, nichts anderes, als das eitle,dunkelhafte Gelüste des eigenen Herzens.
Natürlich sollen wir unser Licht vor den Menschen leuchten lassen, aber ein jeder doch an dem Ort, wohin Gott ihn gestellt hat. Auch sollen nicht nur unsere Lippen, sondern auch unser ganzes Leben der Leuchter sein. In dem gesamten Eindruck, den dein Auftreten hinterläßt, soll das missionierende, das Gottverherrlichende liegen. Und bedenke dazu, daß die Lichter den schönsten und reinsten Glanz verbreiten, die nicht wissen, daß sie leuchten; und das diejenigen Gottesblumen den süßesten Geruch verbreiten, die an dem Platz, den der Herr ihnen angewiesen hat, verborgen, aber zufrieden blühen.
Das in unseren Tagen unter den Christen so viel unberufenes Drängen nach dem Schauplatz des öffentlichen Wirkens für das Reich des Herrn zum Vorschein kommt, offenbart nur die große Armut
der Zeit, in welcher wir leben.
Es fehlt im Reiche Gottes an großen, vorbildlichen Persönlichkeiten.
Es fliegen keine Adler mehr durch den Kirchenhimmel. Darum mangelt es dem kleineren Geflügel an einem Maßstab für ihre Größe und es hindert sie nichts, jedes Gramm geistlicher Gabe, das sie zu besitzen glauben, sofort als eine göttliche Berufung zu großen Dingen anzusehen.
Oh, hinweg aus den Mauern Zions mit jenem unerfreulichen, eitlen Wesen, das nicht von Gott, sondern aus der Welt kommt! Hinweg auch mit jener verdammlichen Abgötterei, die man heute im Reiche Gottes so häufig mit Menschen zu treiben pflegt!
Ich glaube, daß Gott in unseren Tagen deswegen so oft seine besten Diener und Evangelisten in der Blüte ihrer Jahre aus ihrem segensreichen Dienst abruft, um sie vor den Gefahren der Vergötterung in Sicherheit zu bringen, mit der man diese Menschen in den sogenannten „Berichten aus dem Reich Gottes" bis an den Himmel zu heben pflegt. Aber Gott sorgt dafür, daß wir merken, daß die Pfeiler seines Tempels nicht aus Menschen bestehen; daß mit keinem Diener die Weisheit ausstirbt und das kein anderer die Grundlage, der Träger und Erbauer seines Reiches ist, als ER selbst.
Es ist ein froh Getöne ringsum im Land erwacht;
das hat uns, deine Söhne, vom Schlafe wach gemacht.
Weinleselieder schwingen sich durch die öde Welt,
und Sen's und Sichel klingen in deinem Erntefeld.
Das war ja so dein Wesen
von alten Tagen her;
daß du dir hast erlesen,
was schwach, gebeugt und leer;
daß mit zerbrochnen Stäben du deine Wunder tatst
und mit geknickten Reben, die Feinde untertratst.
Wer soll die Ruder schlagen
wohl übers weite Meer?
Wer dene Fahne tragen
ins blinde Heidenheer?
Zeig´s an, wen du erkoren,
greif in die Schar hinein!
Wir haben´s all geschworen:
dein sind wir, Amen, dein!
Krummacher gehörte als Sohn Friedrich Adolf Krummachers der zweiten Generation der Theologen-Familie Krummacher an. Er war der ältere Bruder von Emil Wilhelm Krummacher.
Krummacher besuchte nach der Elementarschule das Gymnasium in Duisburg. Nachdem sein Vater 1812 zum Generalsuperintendenten nach Bernburg berufen worden war, besuchte er ab der Sekunda das dortige Gymnasium. Er studierte ab 1815 Evangelische Theologie an der Universität Halle und wechselte 1816 an die Universität Jena, wo ihn besonders Jakob Friedrich Fries prägte. Krummacher war Teilnehmer des Festes auf der Wartburg 1817[1] und auch mit Carl Sand persönlich bekannt, wie er in seiner Autobiografie schreibt. In Jena wurde er im Wintersemester 1816/17 Mitglied der Urburschenschaft,[2] nachdem er 1815 bereits der Burschenschaft Teutonia Halle und im Wintersemester 1815/16 dem Corps Guestphalia Halle[3] beigetreten war.[4]
Nach dem Examen wurde Krummacher 1819 zunächst Hilfsprediger in der deutsch-reformierte Gemeinde in Frankfurt am Main, 1823 Pfarrer in Ruhrort. 1825 wurde er als Pfarrer nach Barmen-Gemarke berufen, 1835 nach Elberfeld (beide heute zu Wuppertal). Hier gehörte der junge Friedrich Engels zu seinen Predigthörern. Eine Berufung zum Theologieprofessor in den Vereinigten Staaten von Amerika schlug er aus. Ab 1847 war er Pfarrer an der Dreifaltigkeitskirche in Berlin, von 1853 bis zu seinem Tod Hofprediger in Potsdam.
Krummacher war ein scharf gegen den Rationalismus gewandter Anhänger der Erweckungsbewegung, dessen biblizistische Predigt von Goethe „narkotisch“ genannt wurde. (vgl. Weimarer I, 42/I, 16ff) Friedrich Engels beurteilt ihn in seinen Briefen aus dem Wuppertal 1839 u. a.: „Der ästhetische Wert seiner Predigten wird nur von sehr wenigen in Elberfeld gewürdigt; denn wenn man seine drei Kollegen, die fast alle ein gleich starkes Auditorium haben, gegen ihn hält, so erscheint er als Eins, die andern als lauter Nullen dahinter, die nur dazu dienen, seinen Wert zu erhöhen.“ Nach zeitgenössischen Quellen lösten seine Predigten regelrechte „Völkerwanderungen“ aus; weil der Platz in den Kirchen nicht ausreichte, wurden Kirchenfenster ausgehängt, um Krummacher auch von draußen zu hören. Seine Predigt (über Galater 1, 8/9) in der Bremen Ansgari-Kirche 1840 löste den Bremer Kirchenstreit aus. Seine Predigten über den Propheten Elia haben den Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy zur Komposition des Elias-Oratoriums (1846) angeregt. Krummacher gehörte zu den großen Predigergestalten der frühen deutschen Kirchentage. Neben den bis ins 20. Jahrhundert nachgedruckten Predigtbänden verfasste er auch Streitschriften sowie Lebensbilder befreundeter Geistlicher (z. B. Immanuel Friedrich Sander, 1860) und eine Autobiographie.
Wie sein Vater und wie sein Sohn war Krummacher Verfasser evangelischer Kirchenlieder, die bis ins ausgehende 20. Jahrhundert zum Liedgut evangelischer Gesangbücher gehörten.[5]
Krummacher war ab 1823 mit der aus Frankfurt am Main stammenden Charlotte Pilgeram (1799–1867) verheiratet. Sie hatten sieben Kinder. Der älteste Sohn Adolf Krummacher (1824–1884) wurde ebenfalls Pfarrer und ist als Verfasser des Liedes Stern auf den ich schaue bekannt. Die Tochter Maria veröffentlichte ein Lebensbild ihrer Mutter.[6]