Wie eine Herde Schafe
Rolf Müller
Wir waren vor vielen Jahren als Chor zu einer Goldenen Hochzeit zum Singen eingeladen. Es waren zahlreiche Gäste im Saal und wir sangen eine Motette vierstimmig und stimmgewaltig. Wir freuten uns über den gelungenen Vortrag.
Beim Abgang hörte ich die Bemerkung eines älteren Herrn: "Wie ne Herd Schof ham se geblökt." Ich war gekränkt und fand seine Beurteilung ungehörig. Wir hatten doch unser Lied ganz gut über die Runden gebracht!
Dieser kritische Herr war der Leiter des hiesigen Volkschores, was wir allerdings nicht wussten. Er war vom Fach. Er wusste, wovon er sprach. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr musste ich ihm Recht geben. Unser Lied klang kräftig, laut und eintönig, obwohl es ein vierstimmiger Satz war.
Als ich Jahre später selbst mit der Leitung des Gemeindechors beauftragt wurde, versuchte ich deshalb darauf zu achten, dass die Dynamik beim Vortrag nicht zu kurz kam. Wir differenzierten an passenden Stellen zwischen pino und forte. Wir versuchten es wenigstens.
So war die Kritik des älteren Herrn im Nachhinein eine aufbauende und weiterführende Kritik, Wir waren kein Klangkörper, der höchsten Ansprüchen genügte. Man konnte uns kleine Fehler nachweisen. Aber wir achteten darauf, dass man nicht mehr sagen konnte:
"Wie ne Herd Schof hamse geblökt!"