Frederic
Rolf Müller
Die junge Frau vor mir auf dem Fußweg der Schneeberger Straße hielt einen kleinen Jungen an der Hand. Man sah dem Knirps an, dass er des Laufens noch nicht lange mächtig war. Wenn er ein paar Schritte allein versuchte, sah das ziemlich unsicher aus.
Das hinderte ihn nicht, sich von der Hand loszureißen und auf die Straße zu stolpern. F r e d e r i c, k o mm h e r !!! Die Mutter schrie ihren Kleinen an. Sie hatte Angst, dass er in ein Auto laufen könnte. Aber warum schrie sie so? Sie hätte doch ihrem Sohn mit freundlichen Worten aufklären können, in welche Gefahr er sich begibt, wenn er auf die Straße läuft. Aber dazu war keine Zeit. In diesem Fall war ihr Vorgehen pädagogisch richtig. Frederic musste energisch zur Ordnung gerufen werden!
Frederic hörte nicht auf seine Mutter. Er hatte schon wieder ihre Hand losgelassen und lief auf die Straße. Es war Gefahr in Verzug. Die Mutter lief ihm nach, packte ihn am Kragen, gab ihm einen Klaps auf den Po und zog ihn auf den Fußweg zurück. Frederic schrie wie am Spieß, obwohl er wegen seiner mit Windeln gepolsterten Hose nicht allzu viel gespürt haben konnte.
Ein herankommender Passant sprach mich an und kritisierte die Mutter, die ihr Kind misshandelte, so dass dessen Klagegeschrei meilenweit zu hören war. Er war der Meinung, dass diese Rabenmutter gerichtlich belangt werden müsse. Wo leben wir denn! Ich gab der Mutter recht. Ich konnte mich auch in die Lage des Kindes versetzen, denn ich war selber mal eins.
Ich musste bei dieser Gelegenheit an das Verhalten vieler Menschen Gott gegenüber denken. So wie die Mutter die Gefahren besser einschätzen konnte als Frederic, so ist Gott klüger als wir. Seine Gedanken sind höher als unsere Gedanken und seine Wege sind höher als unsere Wege. Er hat Gedanken des Friedens über uns und nicht des Leids. Wir werden ihm noch danken, dass er unseres Angesichts Hilfe und unser Trost ist.
Es ist Liebe, wenn Gott uns entgegentritt, weil wir mit dem Kopf durch die Wand wollen. Es ist Liebe, wenn Gott uns nicht ins Verderben rennen lässt. Es ist Liebe, wenn Gott sich um uns kümmert und wenn er uns manchmal auch Steine in den Weg legt. Was Gott tut, das ist wohlgetan.
Lob Gott getrost mit Singen, frohlock, du christliche Schar.
Dir soll es nicht misslingen, Gott hilft dir immerdar.
Ob du gleich hier musst tragen viel Widerwärtigkeit,
sollst du doch nicht verzagen, er hilft aus allem Leid.
Kann und mag auch verlassen ein Mutter je ihr Kind
und also gar verstoßen, dass es kein Gnad mehr find't?
Und ob sich's möchte begeben, dass sie sogar abfiel:
Gott schwört bei seinem Leben, dass er dich nicht verlassen will!
(Böhmische Brüder)