Jesus und die Kinder

 

Rolf Müller

 

Zu jener Stunde traten die Jünger zu Jesus und sprachen: Wer ist wohl der Größte im Reich der Himmel? Und Jesus rief ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte und sprach: Wahrlich, ich sage euch:

Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel kommen! Wer nun sich selbst erniedrigt wie dieses Kind, der ist der Größte im Reich der Himmel. Und wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf.  (Matthäus 18, 1-5).

 

 

Wer ist der Größte?

 

Auf die Frage, wer der Größte im Reich der Himmel ist, stellt Jesus ein Kind in den Kreis der Jünger. Er macht sie aufmerksam, dass sie so (wie sie jetzt sind) nicht in das Reich Gottes kommen.

 

Die Jünger möchten wissen, wer im Reich Gottes zur Prominenz, zur Elite gehören wird.  Wer  wird denn im Himmel in der ersten Reihe, auf den besten Plätzen sitzen? Das sind doch wohl hoffentlich wir, die Jünger, deine engsten Vertrauten! Gespannt warten sie auf die Antwort Jesu.

 

Der Herr geht auf die Frage der Jünger gar nicht ein. Stattdessen stellt er eine andere Frage: Wie kommt man überhaupt in das Reich Gottes? Und er gibt auch gleich die Antwort: Ihr müsst werden wie ein Kind. Das ist ein Vergleich.

 

Auch wir verwenden oft Vergleiche. Zu einem, der faul ist, sagen wir: Nimm dir mal die Ameisen zum Vorbild. Du musst fleißig werden wie sie!  Zu einem Treulosen sagen wir: Jeder Hund ist treuer als du!

Aber Jesus zieht die Kinder nicht nur als Vergleich heran. Ein Hund ist ein Hund und eine Ameise ist eine Ameise. Aber auf ein Kind achten die Engel im Himmel. So sieht Jesus die Kinder.

 

Jesus sagt: Wer einem Kindlein ein Ärgernis bereiten wird, dem ist es besser, dass ein großer Mühlstein an seinen Hals gehängt wird und er in die Tiefen des Meeres versenkt wird. (Matthäus 18,6).

 

Ein hartes Wort! Warum ein großer Mühlstein? Damit er nie wieder auftaucht.

 

Der Sohn des Menschen ist gekommen, das Verlorene zu retten. (Matthäus 18,11).

 

Um das zu unterstreichen, erzählt Jesus das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Er will nicht, dass auch nur eines von diesen Kleinen verloren geht.

 

Weil ich Jesu Schäflein bin,

freu ich mich nur immerhin

über meinen guten Hirten,

der mich wohl weiß zu bewirten,

der mich liebet, der mich kennt

und bei meinem Namen nennt.

(Henriette Marie Luise von Hayn).

Jesus liebt die Kinder

 

Er sieht sie als seine Schäflein, deren guter Hirte er ist. Er liebt sie, er umsorgt und behütet sie.

Wie sehen wir die Kinder? Erblicken wir in ihnen nur (vorläufige) Heiden, die erst erwachsen werden müssen, damit sie getauft werden können? Als Rohmaterial, das erst geformt werden muss? Der Herr Jesus lädt die Kleinen, die Kinder, besonders zu sich ein.

 

Einige Zeit später machen sich die Jünger Gedanken über Ehescheidung. Da kommen Eltern mit ihren Kindern zu Jesus. (Matthäus 19,13). Sie wollen, dass der Heiland ihre Kinder segnet. Die Jünger weisen sie zurück. Sie sind gerade dabei, über Eheprobleme zu diskutieren, da stören die Kinder.

 

Das ist auch heute ein Problem. Viele Eltern haben keine Zeit für ihre Kinder. Sie sind sich der Verantwortung für die Erziehung ihrer Kinder nicht bewusst. Sie überlassen die Erziehung staatlichen Stellen.

 

Aber den Eltern, vor allem den Vätern ist die Verantwortung für die christliche Erziehung der Kinder aufgetragen. Das ist wichtig. Die Erziehung der Kinder ist nicht primär Aufgabe der christlichen Gemeinde und schon gar nicht der Schule. Sie ist höchsteigene und vorrangige Aufgabe der Eltern.

 

Die Reaktion der Jünger zeigt, wie sie die Kinder wahrnehmen. Sie nehmen sie nicht ernst. Sie finden sie störend und lästig.  Die Jünger weisen die Kinder zusammen mit ihren Eltern ab. Was sagt der Herr Jesus dazu?

"Das habt ihr richtig gemacht! Jetzt können wir die Kleinen nicht gebrauchen, sie stören nur! Lasst sie erst mal erwachsen werden, damit man vernünftig mit ihnen reden kann!"

Das sagt der Herr Jesus natürlich nicht. Er sagt: Lasst die Kinder und wehrt ihnen nicht, zu mir zu kommen, denn  solchen ist das Reich der Himmel.  (Matthäus 19,14). Jesus weist die Kinder nicht ab. Wer zu ihm kommt, den stößt er nicht hinaus.

 

Ein anderes Ereignis wird in Matthäus 21 berichtet. Dort fangen auf einmal Kinder an, Jesus zu preisen: Hosianna dem Sohn Davids! Das erregt den Unwillen des Hohepriesters und erzürnt die Schriftgelehrten. Aber Jesus erinnert diese gescheiten Theologen an eine Bibelstelle in Psalm 8, Vers 3:

 

Habt ihr nicht gelesen: Aus dem Mund der Unwürdigen und Säuglingen hast du dir Lob bereitet!

 

Wie denken wir über die Kinder? Jesus sagt nicht, dass sich alles um die Kinder drehen muss. Er sagt nicht, dass die Kinder die Zukunft des Reiches Gottes sind nach dem Motto: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft! Aber der Herr besteht darauf, dass Gott sich auch aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge Lob zubereiten vermag, ob es nun den Schriftgelehrten passt oder nicht.

 

Der alte Mann muss daran denken, als in unserer Gemeinde während des Abendmahls die kleine Charlotte plötzlich zu jauchzen und zu jubeln anfing. Da mussten wir alle an dieses Psalmwort  denken. Es ist eine Tatsache: Kinder haben für unseren Herrn einen hohen Wert. Auch für uns?

 

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Der Heiland war im Blick auf die Kinder nicht "romantisch". Sie sind bei ihm nicht deshalb willkommen, weil sie so niedlich und unschuldig sind. Die Bibel lehrt deutlich, dass alle, auch die Kinder, in Sünden empfangen und geboren sind. In ihnen steckt der Keim des Bösen. Jeder Mensch ist böse, und zwar von Jugend an.

 

Aber etwas haben Kinder den Erwachsenen voraus: Sie haben nichts Eigenes vorzuweisen. Ein Kind ist abhängig, hilflos und schutzlos. Ein Kind ist auf die Hilfe eines Stärkeren angewiesen. Wir sollen wie ein Kind in die Gegenwart des Herrn kommen, das heißt, mit leeren Händen, abhängig von Jesus Christus. Das von ihm empfangene Heil ist ein Geschenk. Keiner von uns hat etwas dazu beigetragen. Die Gnade ist ein völlig freies Geschenk, das wir im Glauben ergreifen. Der Glaube macht nicht das Heil, er ergreift es.

 

Wir haben kein Verdienst vorzuweisen. Wir kommen ins Reich Gottes hinein wie ein Kind. Der Herr Jesus stellt ein Kind als Vorbild in unsere Mitte. Niemand kommt anders ins Reich Gottes, als es bei einem Kind geschieht. Unverdient, ohne eigenes Zutun, allein aus Gnaden.

 

Auch unser Glaube an Jesus, mit dem wir das Heil ergreifen, ist nicht unser Verdienst, sondern ein Geschenk Gottes. Darum danken wir ihm für unsere Bekehrung. Wir danken ihm, dass er uns das Herz aufgetan und Glauben geschenkt hat. Dieses Heil empfangen wir so, wie es ein Kind empfängt: geschenkweise.

 

Gott nachte sein Heil nicht abhängig von der Mitwirkung des Menschen. Die Erlösung geschieht allein aus Gnade.

 

Nichts hab ich zu bringen, alles, Herr, bist du!