Rolf Müller
In der ehemaligen DDR war ein Telefonanschluss ein Privileg. Nur wenige hatten diese Vergünstigung. Dazu gehörten Ämter, Ärzte, Betriebe, Geschäfte, Parteimitglieder und Stasileute. Der alte Mann kannte in seinem Umfeld keine Privatpersonen, die über einen Telefonanschluss verfügt hätten.
Wer kein Telefon hatte, war vor allem bei Notfällen im Nachteil. Wenn ärztliche Hilfe herbeigerufen werden musste, blieb nur der Gang zur nächsten öffentlichen Telefonzelle. Wenn man Pech hatte, warteten bereits einige Personen und man musste sich in die Schlange einreihen.
Ein Arbeitskollege des alten Mannes, dessen Mutter als Rentnerin in der Bundesrepublik lebte, nutzte die Zeit früh vor Schichtbeginn, um vom Betrieb aus mit seiner Mutter zu telefonieren. Das war natürlich illegal und durfte nicht bekannt werden.
Es war für den alten Mann ein denkwürdiger Tag, als 1991 bei ihm ein Telefonanschluss installiert wurde. Welche ungeahnten Möglichkeiten taten sich da auf! Man konnte mit Glaubensgeschwistern, Freunden und Verwandten mühelos in Verbindung treten! Es war möglich, selber angerufen zu werden! Wie elektrisiert eilte der alte Mann zum Telefon, wenn das Klingelzeichen ertönte.
Aber es ging wie mit vielen guten Dingen, mit der Zeit gewöhnte man sich daran. Es war nichts Besonderes mehr. Man freute sich nicht mehr. Man merkte, dass ein Telefon auch lästig werden konnte. Es gab Tage, an denen nur das Telefon gut aufgelegt war. E i n Telefon ist eine Annehmlichkeit, z w e i sind Luxus, d r e i eine Extravaganz und gar keins das Paradies.
Wer abhebt, hat mehr vom Telefon. Die Nachteile sind Gespräche, denen die Tiefe fehlt. Das wird oft durch Länge ausgeglichen. Es gibt Leute, die reden weiter, bis ihnen etwas einfällt, obwohl sie nichts Wichtiges mehr zu sagen haben. Ihnen fällt es schwer, aufzuhören, wenn sie fertig sind.
Wer sagen will, was er denkt, sollte bedenken, was er sagt. Miteinander reden heißt noch lange nicht, dass man sich auch versteht. Der alte Mann hat eingesehen, dass er nicht überall mitreden muss. Wenn er nichts weiß, darf er auch getrost die Klappe halten.
Christen wissen, wer Gott anruft, benötigt kein Telefon. Er hat für seine Kinder einen Notruf eingerichtet: Psalm 50,15. Dieser Anschluss ist drahtlos und gebührenfrei. Man braucht keine Vorwahl. Gott ist persönlich am Apparat. Er hat ein offenes Ohr für die Anliegen seiner Kinder. Er hat rund um die Uhr Bereitschaft. Er schläft und schlummert nicht. Wohl dem, der sich an ihn wendet, wohl dem, der ihm vertraut!
Wenn er geholfen hat, dürfen wir den Dank nicht vergessen. „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen!“
Du meine Seele, singe,
wohlauf und singe schön
dem, welchem alle Dinge
zu Dienst und Willen stehn.
Ich will den Herren droben
hier preisen auf der Erd;
ich will ihn herzlich loben,
solang ich leben werd.
Wohl dem, der einzig schauet
nach Jakobs Gott und Heil!
Wer dem sich anvertrauet,
der hat das beste Teil,
das höchste Gut erlesen,
den schönsten Schatz geliebt;
sein Herz und ganzes Wesen
bleibt ewig unbetrübt.
Er weiß viel tausend Weisen,
zu retten aus dem Tod,
ernährt und gibet Speisen
zur Zeit der Hungersnot,
macht schöne rote Wangen
oft bei geringem Mahl;
und die da sind gefangen,
die reißt er aus der Qual.
Ach ich bin viel zu wenig,
zu rühmen seinen Ruhm;
der Herr allein ist König,
ich eine welke Blum.
Jedoch weil ich gehöre
gen Zion in sein Zelt,
ist´s billig, dass ich mehre
sein Lob vor aller Welt.
(Paul Gerhardt).