Der alte Mann und Judas Ischariot (Joh. 13,18-30)
Rolf Müller
Bei Judas Ischariot steht in den Evangelien oft der Zusatz „der ihn hernach verriet“. Er war einer von den Zwölfen. Trotzdem wuchs er zum Verräter heran. Er ging am Ende in Nacht und Finsternis unter. Statt ein Rüstzeug Gottes zu sein, wurde er ein Rüstzeug Satans. Er kam schon früh mit Jesus in Berührung. Die Reden und Taten Jesu zogen ihn an. Der Herr Jesus öffnete ihm den Weg in den engsten Jüngerkreis. Er erwählte ihn, obwohl er ihn kannte.
Der alte Mann liest, dass Judas nicht von ganzem Herzen Jesus nachfolgte. Die bittere Wurzel im Herzen des Judas war der Geiz. Den nahm er mit hinein in die Jüngerschaft. Judas wusste, dass man nicht Gott und dem Mammon dienen konnte. Das hielt ihn nicht vom Geiz ab. Jesus versuchte ihm zu helfen, indem er ihm die Kasse anvertraute. Dieses Vertrauen bewirkte bei Judas das Gegenteil. Er wurde zum Dieb.
Der alte Mann stellt fest, dass Judas von einer irdischen Aufrichtung des Reiches Israel träumte. Er machte sich glänzende Zukunftshoffnungen. Als Jünger Jesu sah er sich schon in hohen Ehren und in einer einflussreichen Stellung. Als er merkte, dass Jesus einen anderen Weg ging, war er enttäuscht. Er sah seine kühnen Erwartungen entschwinden. Der zu Tage tretende Niedrigkeitsweg des Herrn missfiel ihm. Sein Weg schied sich vom Weg Jesu. Mit dem armen Rabbi aus Nazareth wollte er nichts zu tun haben. Er sagte sich innerlich von Jesus los. Das wurde schon bei der Salbung in Bethanien deutlich. Dass Jesus ihn durchschaute, vergrößerte seinen Hass.
Der alte Mann sieht mit Bedauern, dass Judas seine falsche Rolle bis zum bitteren Ende durchzieht. Er hörte Jesus bei der Fußwaschung sagen: „Ihr seid rein, aber nicht alle.“ Judas wusste genau, wer gemeint war. Auch beim Passahmahl war Judas anwesend. Sein Herz war voll Bitterkeit, aber er wusste sich zu verstellen.
Der alte Mann erlebt mit, wie Jesus den Verräter entlarvt. Jesus kannte seine Jünger alle. Ihm war nichts verborgen. Es geschieht, damit die Schrift erfüllt wird. Judas sitzt am Tisch und macht alles mit. Keiner der Jünger wusste von seinem Plan. Nur Jesus durchschaute ihn. Er wusste Bescheid. Das Herz des Judas war verstockt und verpanzert. Er konnte und wollte nicht mehr umkehren.
Der alte Mann liest, wie Jesus ganz offen sagt: „Einer unter euch wird mich verraten.“ Die Jünger waren erschüttert und schauten einander an. Judas fragt heuchlerisch: „Bin ich´s, Rabbi?“ „Du sagst es.“
Da fuhr der Satan in ihn. Jesus drängt den Judas: „Was du tust, das tue bald.“ Judas stand auf und entfernte sich. Trotzig ging er hinaus. Es war Nacht. Judas war umnachtet. Sein Weg verlor sich in ewiger Nacht. Was für ein schrecklicher Abschied! Judas führt das Werk der Finsternis aus. An ihm erfüllt sich Schritt für Schritt die Weissagung der Schrift.
Wer Sünde tut und liebet,
der ist des Teufels Knecht;
wen seine Schuld betrübet,
der ist vor Gott gerecht;
wer sich beim Richter selbst verklagt,
der wird von seinen Schulden
auf ewig losgesagt.
Wenn ich mich selbst betrachte,
so wird mir angst und weh;
wenn ich auf Jesus achte,
so steig ich in die Höh,
so freut sich mein erlöster Geist,
der durch das Blut des Lammes
gerecht und selig heißt.
Lamm Gottes, deinen Wunden
verdank ich´s Tag und Nacht,
dass sie den Rat gefunden,
der Sünder selig macht.
Gelobet sei dein Todesgang,
und allen deinen Schmerzen
sei ewig Ehr und Dank!
(Ernst Gottlieb Woltersdorf)