Der alte Mann und der Blindgeborene (Joh.9)

 

Rolf Müller

 

Der blindgeborene Bettler vor dem Tempel war bekannt. Er war arm. Als Jesus ihn sah, ging er nicht vorüber. Er blieb vor ihm stehen. Seine Jünger fragten: „Meister, wer hat gesündigt? Dieser oder seine Eltern?“ Sie vermuteten, die Blindheit sei eine Strafe für begangene Sünden. Der Herr antwortete: „Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern die Werke Gottes sollen an ihm offenbart werden.“

 

Jesus wandte sich dem Blinden zu. Er sagte nicht: “Sei sehend!“ Er strich dem Blinden einen Brei auf die Augen. Dieser Brei öffnete nicht die Augen, sondern verschloss sie erst recht. „Gehe in den Teich Siloah und wasche dich!“ Obwohl das dem Blinden nicht leicht fiel, gehorchte er sofort. Er befolgte das Wort des Herrn und wurde sehend. „Ich war blind und bin nun sehend!“ jubelte er. Er wollte sich bei Jesus bedanken, aber der war nicht mehr da. Da ging er in sein Elternhaus.

 

Der alte Mann kann verstehen, dass alle Nachbarn herbeiliefen. Sie wollten das Wunder sehen. Einen Blindgeborenen zu heilen, war ein messianisches Wunder, eine Sensation!  Einige waren sich nicht sicher, ob es der Blindgeborene wirklich war. Sie sagten, er sieht ihm nur ähnlich. Der Geheilte versicherte: „Ich bin´s!“ Er erzählte, was mit ihm geschehen war. Er betonte den Namen Jesus, der ihn geheilt hatte und der ihm das Augenlicht wiedergegeben hatte.

 

Das Wunder verbreitete sich mit Windeseile. Auch die Pharisäer bekamen Wind davon. Sie empörten sich darüber, dass Jesus das Wunder am Sabbat getan hatte. Sie wollten nicht wahrhaben, dass er einen Blindgeborenen geheilt hatte. Wenn das stimmen würde, müsste er ja der Messias sein. Das konnten und wollten sie auf keinen Fall  glauben.

 

Sie nahmen den Geheilten ins Kreuzverhör. Sie wollten ganz genau wissen, was passiert war. „Er legte mir einen Teig auf die Augen, ich wusch mich und nun bin ich sehend!“ Die Pharisäer waren uneins. „Dieser Jesus ist nicht von Gott, er hält nicht den Sabbat!“ Andere gaben zu bedenken: „Kann denn ein sündiger Mensch solche Zeichen tun?“

 

Sie fragten den Geheilten nach seiner Meinung. Er ist ein Prophet, das Wunder ist der Beweis!“, antwortete er. Die Pharisäer wollten das nicht hören. Sie wollten Jesus nicht die Ehre geben. Sie versuchten, die Eltern einzuschüchtern. Das misslang. Da riefen sie wieder den Sohn. „Wir wissen, dass dieser Jesus ein Sünder ist. Er bricht den Sabbat!“ Der Geheilte soll seine Aussage widerrufen. Das macht er nicht. Er denkt gar nicht daran. „Ich weiß nur eins, dass ich blind war, und nun bin ich sehend!“ Als sie nicht locker ließen, fragte er sie, ob sie etwa auch seine Jünger werden wollen. Das brachte die Pharisäer völlig auf die Palme. Sie warfen ihn kurzerhand hinaus.

 

Der alte Mann liest, wie der Geheilte dem Herrn Jesus wieder begegnet. Der fragte ihn: „Glaubst du an den Sohn Gottes?“ „Wer ist ´s, Herr, dass ich an ihn glaube?“ „Du hast ihn gesehen. Der mit dir redet, der ist´s. “ Da rief er: „Herr, ich glaube!“ und betete ihn an. Jesus sprach: „Zum Gericht bin ich in die Welt gekommen, auf dass die Nichtsehenden sehen und die Sehenden blind werden.“ Einige Pharisäer, die in der Nähe standen, hörten das. Sie waren erbost. In ihrem Stolz lehnten sie sich gegen Jesus auf. „Gehören etwa auch wir zu den Blinden, die du sehend machen willst? Sind wir blind?“ Sie zogen die Worte Jesu ins Lächerliche.

 

Jesus aber sprach zu ihnen: „Wenn ihr blind wäret, hättet ihr keine Sünde, nun ihr aber sagt, wir sind sehend, bleibt eure Sünde.“ So wie die Pharisäer tappen viele Menschen geistlich blind durch die Welt. Sie sind blind für die Wahrheit. Sie verschließen sich dem Licht. Sie leben in ihrer Sünde dahin. Sie sind verstockt. Sie fühlen sich in der Finsternis wohl und rennen in ihr Verderben.

 

Du bist so schön gezieret,

dein Glanz erstreckt sich weit,

dein Güt allzeit regieret

und dein Gerechtigkeit.

Du wollst die Frommen schützen

durch dein Macht und Gewalt,

dass sie im Frieden sitzen,

die Bösen stürzen bald.

 

Du wollst in mir entzünden

dein Wort, den schönen Stern,

dass falsche Lehr und Sünden

sein meinem Herzen fern.

Hilf, dass ich dich erkenne

und mit der Christenheit

dich meinen König nenne

jetzt und in Ewigkeit.

 

(Martin Behm)