Der alte Mann und die soziale Frage
Rolf Müller
Wie kann man die Evangelikalen vor den Karren des Zeitgeistes spannen? Wie kann man sie dazu bringen, die biblische Lehre nicht mehr als bindend zu betrachten? Wie können sie für den Einsatz für gesellschaftliche Aktivitäten gewonnen werden? Man muss Gemeinsinn und soziales Handeln in den Vordergrund stellen. Man muss ihnen eine am Gemeinwohl orientierte neue Gesellschaft schmackhaft und erstrebenswert erscheinen lassen. Man muss behaupten, dass das ein biblisch gebotener Weg ist. Mit einem Wort: Man muss die Evangelikalen alle auf einen sozialpolitischen Kurs bringen. Das geschieht am leichtesten durch die Medien. Sie beeinflussen das Denken.
Der alte Mann sieht besorgt, dass der christliche Glaube heute anders wahrgenommen wird. Das Bild ersetzt das gedruckte Wort. Das Erleben ersetzt das Überlegen. Das verändert die christliche Lehre. Sie wird im Sinne einer neuen Weltordnung umgeformt. Das biblische Wort wird durch Showeinlagen und durch Schauspiel verwässert. Evangelisationen sollen mit Geschäftspraktiken zum Erfolg geführt werden. Es wird versucht, die Menschen mit Unterhaltung zu manipulieren. Werbung ersetzt biblische Werte. Wer bei diesem Pulsschlag der Zeit nicht mitmacht, steht schlecht da.
Der alte Mann muss feststellen, dass biblische Lehre oft ins Gegenteil verkehrt wird. Er bedauert, wie schnell und unüberlegt sich Christen für politische Ziele einspannen lassen. Wenn sie die Verführung durchschauen würden, würden sie viele dieser Ziele radikal ablehnen. Sie würden keine politische Ideologie unterstützen, die der Bibel widerspricht.
Soziales Evangelium klingt zwar gut, ist aber nicht die biblische Botschaft. Je intensiver sich die Christen sozial aktiv betätigen, desto schneller geben sie das Evangelium preis. Sozialprojekte werden wichtiger als der Ruf zum Glauben an Jesus. Ein soziales Evangelium soll eine geeinte Welt schaffen.
Der alte Mann registriert, dass kirchliches Handeln immer mehr von politischen Zielen überlagert wird. Das biblische Evangelium wird zweitrangig. Die Welt soll mithilfe von Politik, Kunst und Sport verändert werden. Die Kirche macht es mehr und mehr zu ihrer Aufgabe, eine politische Agenda zu verwirklichen. Die Erlösung sündiger Menschen durch den Kreuzestod Christi wird aus den Augen verloren. Das Heil wird auf das Diesseits beschränkt.
Der alte Mann gewinnt den Eindruck, dass Jesus zu einem Verkündiger einer neuen Ethik herabgestuft wird. Frieden und Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und Bewahrung der Schöpfung sind seine Gebote, wobei Schöpfung als anderes Wort für Evolution gebraucht wird.
Dem alten Mann fällt auf, dass die Kirche nicht mehr zum Glauben an Jesus aufruft, sondern ein soziales Evangelium in den Mittelpunkt rückt. Jeder soll mitmachen. Jeder ist willkommen. Regierungen und Großkonzerne, ja sogar andere Religionen sind mit dabei. Welche Wege beschritten und welche Strategien verfolgt werden, ist nicht wichtig. Das große Ziel heißt, sich gemeinsam sozial zu engagieren. Das ist gleichbedeutend mit Gutes tun.
Der alte Mann sieht, dass in der Kirche ein neuer Sündenbegriff gilt. Sünde wird auf die Themen Flüchtlingsfrage, Friede, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz reduziert. Bei diesen Punkten nennt die Kirche Sünde noch beim Namen, während sie bei anderen Bereichen auffällig stumm bleibt. Bei der Konzentration auf die vielen sozialen Projekte geht die Heilsbotschaft der Bibel unter. Ist es der Kirche gleichgültig, dass Menschen ohne Erlösung durch Christus ewig verloren gehen? Genügt es, sozial zu sein? Ist es geboten, das Himmelreich auf der Erde zu errichten? Dieses Ziel hatten und haben sich schon viele politische Parteien auf ihre Fahne geschrieben und das Gegenteil erreicht. Mit solchen Utopien führt die Kirche die Menschen am Heil vorbei.
„Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse?“
(Matthäus 16,26)