Der alte Mann und die Gleichnisse Jesu. Matth.13.
Rolf Müller.
Der alte Mann zählt die Gleichnisse Jesu zu den schwierigsten Texten der Bibel. Das klingt verwunderlich. Viele sagen, dass der Herr Jesus durch die Gleichnisse biblische Wahrheiten einfach und verständlich erklären will. Das stimmt nicht. Im Gegenteil, der Herr Jesus verschlüsselt seine Botschaft durch die Gleichnisse. Die Menschen sollen hören, aber nicht verstehen, was er meint. Selbst seine engsten Jünger kamen nicht klar damit. Sie fragen ihren Herrn und und er erklärt ihnen die Bedeutung einiger Gleichnisse. Und er verrät, warum er in Gleichnissen redet. Matthäus 13, 10 - 16.
Der alte Mann fragt sich, was hier los ist. Da stimmt doch was nicht! Er hat gedacht, der Herr Jesus benutzt Gleichnisse, damit man ihn leichter versteht, Aber nein! Die Leute sollen nichts verstehen. Sie sollen nicht begreifen, worum es geht. Der Herr Jesus will es nicht. Der Grund ist, die Pharisäer und Schriftgelehrten hatten viele Wunder Jesu miterlebt. Sie wussten, er ist der Messias. Aber wider besseres Wissen erklärten sie: "Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebub, ihren Obersten".
Damit begingen sie die Sünde gegen den Heiligen Geist. Sie beschuldigten Jesus, mit dem Teufel im Bund zu sein. Damit hatten sie eine Grenze überschritten. Die Lästerung gegen den Heiligen Geist wird den Menschen nicht vergeben. Das ist eine ernste Sache. Erst wollten sie das Wort des Herrn nicht annehmen, jetzt sollen sie es nicht annehmen. Ihre Herzen werden verstockt. "Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten".
Von jetzt an redet der Herr Jesus in Gleichnissen, mit dem Ergebnis, sie verstehen sein Wort nicht mehr. Der alte Mann weiß, dass die Gleichnisse mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Man kann am besten die Gleichnisse verstehen, die der Herr Jesus selber seinen Jüngern erklärt hat. Der alte Mann hat in seinem Leben schon viele Auslegungen über Gleichnisse gehört. Oft haben sich die Aussagen widersprochen. Es wurden Dinge in die Gleichnisse hineingelegt. Manche Prediger sagten dies, andere das Gegenteil. Es blieben manche Fragen offen. Deshalb hält der alte Mann die Gleichnisse Jesu für schwierige Texte.
Es beginnt schon mit der Bezeichnung: "Das Himmelreich ist gleich…". Beschreiben die Gleichnisse den Himmel? Dann müsste es im Himmel Unkraut neben dem Weizen geben. Dann wären im Himmel gute und schlechte Fische, kluge und törichte Jungfrauen. Dann würden sich im Himmel böse Knechte tummeln und der Feind würde Unkraut säen können. Man würde sich sogar ohne das hochzeitliche Gewand in den Himmel schmuggeln können.
In manchen Übersetzungen heißt es: "Das Reich Gottes ist gleich …". Ist Reich Gottes und Himmelreich dasselbe? Der alte Mann hat gemerkt, dass man bei der Auslegung der Gleichnisse sehr schnell auf Abwege geraten kann.
Zum Gleichnis vom Unkraut im Weizen z.B. wurde dem alten Mann gesagt: "Es ist nicht schlimm, wenn Irrlehren in die Gemeinde eindringen und Schaden anrichten. Lasst den Feind ruhig Unkraut unter den Weizen säen. Wir können es sowieso nicht verhindern. Uns ist geboten, das Unkraut bis zur Ernte wachsen zu lassen, weil man sonst womöglich den Weizen mit ausreißen würde. Unsere Aufgabe ist es nicht, wachsam zu sein. Lasst uns vielmehr lieber Gemeindearbeit treiben. Der Herr wird für uns streiten, wir sollen stille sein."
Hat das der Herr Jesus so gemeint? Der Herr Jesus hat dieses Gleichnis seinen Jüngern erklärt. Der Acker ist die Welt, nicht die Gemeinde. Es ist freilich nicht unsere Aufgabe, das Unkraut in dieser Welt auszurotten. Das können wir gar nicht. Das muss reifen bis zur Ernte. Die Schnitter, die Engel, werden die Scheidung vornehmen. Der Acker ist die Welt.
In der Gemeinde dürfen wir Unkraut und Giftsaat nicht als normal betrachten. Die Gemeinde darf nichts mit falschen Lehrern zu tun haben. Uns ist eindeutig aufgetragen, solche Einflüsse aus der Gemeinde zu entfernen. Das Gleichnis vom Unkraut und Weizen ist kein Freifahrtschein für die Welt in der Gemeinde.
Dem alten Mann wurde gesagt, das Gleichnis vom Sauerteig sei ein Bild für das Evangelium, das alles durchdringt. Auch das Gleichnis vom Senfkorn gehe in die gleiche Richtung. Am Anfang seien es nur wenige Gläubige, aber nach und nach würden sie zu einer großen Bewegung, die die ganze Welt umfasst.
Der alte Mann gibt zu bedenken, dass in der Realität aus einem Senfkorn kein riesengroßer Baum entsteht. Das wäre ein unnormales Wachstum, das wäre Wildwuchs. Die Erwähnung der Vögel, die in den Zweigen nisten, könnte darauf hindeuten, dass zu dieser Bewegung nicht nur Gläubige, sondern auch Ungläubige gehören, die sich eingenistet haben. Heute finden wir unter dem Dach des Christentums viele unbiblische Lehren. Wachstum ist nicht immer mit Erfolg gleichzusetzen. Das kleine Senfkorn, das zu einem unnatürlich großen Baum gewachsen ist, ist zu einer Behausung der Dämonen geworden, siehe auch Offenbarung 18,2.
Dem alten Mann wurde gesagt, dass beim Gleichnis vom Sauerteig das Mehl die Welt ist und der Sauerteig das Evangelium, das in der ganzen Welt gepredigt wird, bis jeder gerettet wird. Diese Sicht wird aber weder von der Schrift noch von den gegenwärtigen Ereignissen noch von der Geschichte bestätigt. Die Bibel verwendet den Begriff Sauerteig durchweg als ein Bild des Bösen. Sauerteig bedeutet falsche Lehre oder böses Verhalten. Der Herr Jesus warnte vor dem Sauerteig der Pharisäer.
Der alte Mann glaubt, dass das Mehl in diesem Gleichnis das Wort Gottes ist. Der Sauerteig ist die Irrlehre. Die Frau ist eine falsche Prophetin, die lehrt und verführt. Nicht ohne Grund wird den Frauen von der Bibel untersagt, in der Gemeinde zu lehren. Durch Zusatz von Sauerteig beim Brotbacken wird der ganze Teig durchsäuert und gelockert. Ohne ein Dogma aufstellen zu wollen, fragt sich der alte Mann: Ist der Sauerteig die christliche Lehre, die alles durchdringt, oder wird die Gemeinde vom Sauerteig falscher Lehren durchsäuert? Für den alten Mann sind die Gleichnisse schwierige Texte. Sie werfen Fragen auf. Wie soll man sie verstehen? Ist das Gleichnis vom Schatz im Acker und von der köstlichen Perle ein Hinweis, dass man den Himmel kaufen kann? Sind die Personen in diesen Gleichnissen Leute, die unablässig suchen und alles hingeben, bis sie den wertvollen Schatz, Jesus, gefunden haben? Der alte Mann muss bekennen, er hat den Herrn Jesus nicht gesucht, aber der Herr Jesus hat ihn gesucht und gefunden. Der Herr Jesus hat alles hingegeben, damit die Menschen gerettet werden können. Bedeutet das Gleichnis von den zehn Jungfrauen, dass nur die Hälfte der Christen in den Himmel kommt? Sagt das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern, dass man sich den Himmel erwirtschaften kann? Bedeutet das Gleichnis vom ungetreuen Verwalter, dass man ein Betrüger sein muss, um vom Herrn gelobt zu werden? Was bedeuten die alten Schläuche und der neue Wein? Was hat es mit den neuen Flicken auf dem alten Kleid auf sich? Ist das wirklich alles so einleuchtend und klar? Sind die Gleichnisse von Jesus gegeben, damit man den Sinn leichter versteht? Sind sie anschauliche Erklärungen für Kinder und für Menschen, die keine höhere Schulbildung besitzen?
Der alte Mann betrachtet die Gleichnisse, wie schon gesagt, als alles andere als leicht zu verstehen. Er merkt, dass er bei der Auslegung der Gleichnisse sehr leicht auf Abwege geraten kann. Die zwölf Jünger, die drei Jahre mit dem Herrn Jesus gegangen sind, haben diese Erzählungen auch nicht auf Anhieb kapiert. Sie waren sich nicht einig über den Sinn und den Inhalt der Gleichnisse. Deshalb fragten sie ihren Meister nach der Bedeutung seiner Worte. Der Herr Jesus hat ihnen zwei der Gleichnisse erklärt. Deshalb wissen wir, was das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld und vom Unkraut im Weizen aussagt. Der alte Mann ist sich nicht sicher, ob er ohne die Hinweise des Herrn Jesus zu den gleichen Ergebnissen gekommen wäre. Wahrscheinlich nicht.
Und deshalb bleibt der alte Mann dabei: Die Gleichnisse Jesu sind nicht leicht zu verstehen. Sie gehören für ihn zu den schwierigsten Texten der Bibel. Er hat schon viele Predigten über die Gleichnisse gehört und viele Kommentare gelesen. Trotzdem kann er nicht behaupten, dass für ihn nun alles klar ist. Es bleiben noch viele Fragen offen. Die Gleichnisse Jesu werden den alten Mann auch weiterhin beschäftigen. Sie bestätigen die Aussage, dass die Bibel wie ein See ist, in dem ein kleines Kind waten und ein Elefant schwimmen kann.