Ich war naiv
Ein alter Mann blickt zurück
(Rolf Müller)
Alles begann 1950. Gerade 14 Jahre alt geworden, tat mir der Herr Jesus bei Evangelisationsabenden in der Gemeinschaft in Vielau das Herz auf und schenkte mir den lebendigen Glauben an sein Erlösungswerk am Kreuz auf Golgatha.
Die Landeskirchliche Gemeinschaft wurde meine geistliche Heimat und wurde mein neuer Lebensmittelpunkt. Ich hatte eine große Familie bekommen, die aus Vätern, Müttern, Brüdern und Schwestern im Glauben bestand. Mein Leben bekam einen neuen Inhalt, ein neues Ziel und eine neue Ausrichtung. Ich brachte mich in vielen Bereichen der Gemeinschaftsarbeit ein und diente dem Herrn mit Freuden. Errettet sein weckt Rettersinn. Es war eine köstliche Zeit!
Ich war naiv. Ich glaubte, das Paradies auf Erden gefunden zu haben. Das war die Einigkeit im Geist, die man in der Welt so selten findet. Da waren die Brüder, die einträchtig beieinander wohnten und Wärme und Frieden verbreiteten. Ein auffälliges Kennzeichen war die Liebe untereinander. Es war der offene und ehrliche Umgang, der mich auf meinen ersten Schritten im Glauben begleitete.
Ich war naiv. Ich merkte allerdings im Lauf der Zeit, dass es auch in der Gemeinde gewaltig "menschelte". Es gab viele und zahlreiche Unzulänglichkeiten, die mir vorher gar nicht so aufgefallen waren.
Es gibt hier auf Erden keine reine Gemeinde, es ist Gemeinde in Knechtsgestalt. Die Gemeinde lebt in einer gottlosen Umgebung, und das bleibt manchmal nicht ohne Folgen. Das Schiff, das sich Gemeinde nennt, ist nicht immer völlig wasserdicht. Die Gemeinde Jesu besteht aus begnadigten Sündern und ist nicht immun gegen die Anläufe des Bösen.
Die Kraft Jesu ist in den Schwachen mächtig. Wer sein Selbstvertrauen in den Vordergrund stellt, wird früher oder später fallen. Wir brauchen Gottvertrauen. Wer sich die wahren Gegebenheiten vor Augen hält, dessen Enttäuschungen halten sich in Grenzen.
Wir stolzen Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
und wissen gar nicht viel.
Wir spinnen Luftgespinste
und suchen viele Künste
und kommen weiter von dem Ziel.
(Matthias Claudius)