Paradox

 

Rolf Müller

 

Der alte Mann schleicht, auf seinen Rollator gestützt, durch die Parkanlage. Die alten Linden senden linde Lüfte aus, die vor kurzem erwacht sind und die der alte Mann gern einatmen möchte. Durch die grünen Zweige "schillert" das Goethedenkmal. Die Hummeln wirbeln in den Wiesenblumen. Sie singen nicht, sie summen, weil sie den Text vergessen haben. Der alte Mann hat ein schlechtes Gewissen. Er ist sich nicht sicher, ob er überhaupt hier sein darf, denn er hat keinen Corona-Test und auch keinen Impfnachweis dabei. Er bemerkt kontrollierende Polizisten. Es gilt zwar das Vermummungsverbot, aber wer keine Maske trägt, wird zur Kasse gebeten.

 

Der alte Mann biegt auf einen Seitenweg ein. Auf einer Bank neben der Fontäne sieht er Eberhard sitzen mit einem Buch von Theodor Fontane in der Hand. Die Hand darf er Eberhard natürlich nicht reichen, denn der gehört einem anderen Haushalt an. Der alte Mann nähert sich der Bank und begrüßt Eberhard aus einer Entfernung von ungefähr 1,50 Metern. Genau kann er es natürlich nicht sagen, denn er hat keinen Zollstock dabei. Eberhard winkt lächelnd zurück und diese unverhoffte Begegnung der besonderen Art wird den alten Mann noch den ganzen Tag über beflügeln, beschäftigen und glücklich machen.

 

Der alte Mann begegnet im Park vielen Kindern, die weinend in die Sonne blinzeln. Ihre Tränen fließen, weil die Schule geschlossen ist und sie nichts lernen können. Wie sich die Zeiten ändern! Wir hätten als Kinder in Gedanken am liebsten die Schule angezündet, damit wir nicht hin müssen. Wir liebten die schulfreien Tage! Wir sehnten uns nach den großen Ferien. Wir hätten nicht gejammert, sondern gejubelt und uns gefreut über eine geschlossene Schule. 

 

Der alte Mann schlendert weiter durch den Park und genießt die angenehm warme Frühlingssonne. Er versteht die Regierung nicht, die am liebsten die Temperatur um 2 Grad Celsius herabsetzen würde. Wenn das wirklich geschehen würde, müsste der alte Mann seine Jacke wieder anziehen. Er hält die ganze Berichterstattung über eine angebliche Erderwärmung für Panikmache. Er hegt die Befürchtung, dass nach Ende der Corona-Pandemie der Klimawandel als Rechtfertigung für weitere Beschneidung der Freiheitsrechte der Bürger ins Feld geführt wird. Dem alten Mann wird es plötzlich ganz "grün" vor den Augen.

 

Schon lange war kein Winter mehr so schneereich wie der vergangene und die Winzer mussten die Knospen ihrer Weinreben in den Aprilnächten durch offene Feuer in den Weinbergen vor dem Erfrieren schützen. Der ganze April war im Vergleich mit den letzten Jahren zu kühl. Ist das schon Erderwärmung oder kommt sie noch? Sie soll ja nach gewissen Medienberichten schon Teile von Afrika erreicht haben!

 

Der alte Mann wandert weiter auf Nebenwegen durch den Park. Die Polizisten auf dem Hauptweg spitzen die Ohren, weil der Rollator quietscht. Er muss mal geölt werden. Ein schwarzes Eichhörnchen huscht über den Weg,  klettert an einem Baum hoch und verschwindet im Geäst. Auf der nächsten Bank sitzt niemand.

 

Der alte Mann denkt an eine befreundete Familie, die sich aus Furcht vor Corona völlig in ihrer Wohnung verbarrikadiert hat. Sie verlassen die Wohnung nicht und haben kaum noch Verbindung zur Außenwelt. Sie öffnen nicht, wenn es klingelt und fürchten sich, ans Telefon zu gehen. Sie sind depressiv und verhaltensgestört. Sie sind verunsichert von den täglichen Corona-Kriegsberichten in den Nachrichten. Die Zahlen rauben ihnen den Schlaf. Sie steigern sich immer mehr hinein und denken an nichts anderes mehr. Sie haben allen Lebensmut verloren.

 

Die Regierung verordnet immer neue und rigorosere Einschränkungen des öffentlichen Lebens, aber die Infektionszahlen steigen. Der alte Mann fragt sich, ob das alles etwas mit Gott zu tun hat. Bischöfe, Theologen Politiker leugnen das. Die Corona-Pandemie ist von allein entstanden und ganz zufällig aufgetaucht wie die Entstehung der Welt, die natürlich auch nichts mit Gott zu tun hat.  Da müssen die Menschen schon selber sehen, wie sie klar kommen.

 

Corona ist das Hauptthema an jedem neuen Tag. Es muss bedacht werden beim Einkaufen, beim Busfahren und beim Friseurbesuch. Die vielen Toten, die an und mit Corona sterben, lassen andere Todesursachen verblassen. Wenn Corona weggeimpft sein wird, werden die Menschen wieder bei Verkehrsunfällen, am Krebs, Aids, Nierenversagen, Herzinfarkt und Krankenhauskeimen sterben. Hunderttausende Kinder werden, bevor sie das Licht der Welt erblicken, im Mutterleib getötet werden. Bei Kriegen und Naturkatastrophen werden weiterhin Millionen von Menschen sterben. Gegen den Tod ist eben kein Kraut  gewachsen. Alle Menschen müssen sterben, vielleicht sogar auch ich.

 

Der Tod ist groß.

Wir sind die seinen lachenden Munds.

Wenn wir uns mitten im Leben meinen,

wagt er zu weinen mitten in uns.

(Rainer Maria Rilke)

 

Nachdenklich verlässt der alte Mann mit seinem Rollator die Parkanlage. Ihm kommt ein Bibelwort vom Propheten Jesaja in den Sinn: Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht; und über alle, die da sitzen im dunklen Lande, scheint es hell.

 

Unser Volk tappt im Dunkeln und wandelt in der Finsternis der Gottlosigkeit. Das muss nicht sein. Das große Licht ist da und gibt der Welt einen hellen Schein. Es ist der Herr Jesus Christus, das Licht der Welt. Leider wollen viele nicht zu diesem Licht kommen. Sie wollen sich dem Licht nicht aussetzen und lieber im Dunkel bleiben, da fühlen sie sich wohler.

 

Die "Gutmenschen", von denen keiner gut ist, auch nicht einer, bemühen sich, das Virus, den Klimawandel, die Umweltverschmutzung, die Armut und Ungerechtigkeit der Welt in den Griff zu bekommen. Sie werden es nicht schaffen, weil sie die Ursache, ihre Gottlosigkeit nicht erkennen.

 

Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Was der Mensch sät, wird er ernten!

 

So lange wir großspurig verkünden: Auch ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein! werden wir den Segen Gottes, an dem alles gelegen ist, nicht erhalten. Unsere Anstrengungen werden keinen Erfolg haben. Der alte Mann hat das in der ehemaligen DDR hautnah miterlebt. Er weiß:

 

Suche Jesus und sein Licht,

 

alles andre hilft dir nicht.