Verheißungen mit und ohne Bedingungen
Rolf Müller
Es gibt in der Bibel viele Verheißungen. Manche beginnen mit dem Wörtchen "wenn". Gott sagt: Wenn du - dann ich. Er macht seine Verheißungen von unserem Verhalten abhängig. Es sind Verheißungen mit Bedingungen. Das ist Gesetz.
Dann gibt es Verheißungen, da sagt Gott einfach: Ich will. Er sagt das ganz ohne Bedingungen. Das ist Evangelium.
Ein Beispiel für Verheißungen, die Gott an Bedingungen knüpft, ist 5. Mose, Kapitel 28.
Wenn du nun der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen wirst, dass du hältst und tust alle seine Gebote, die ich dir heute gebiete, so wird dich der Herr, dein Gott, zum höchsten über alle Völker auf Erden machen, und weil du der Stimme des Herrn, deines Gottes gehorsam gewesen bist, werden über dich kommen und dir zuteilwerden alle diese Segnungen:
Gesegnet wirst du sein in der Stadt, gesegnet wirst du sein auf dem Acker. (5. Mose 28, 1 - 3).
Es folgen eine ganze Reihe von Verheißungen, die Israel erhält, wenn es Gottes Gebote befolgt. Ab Vers 15 werden Flüche aufgezählt, die über Israel kommen, wenn es der Stimme Gottes nicht gehorcht.
Dem Volk wird Segen und Fluch vorgelegt. Die Liste der Flüche ist länger als die Liste der Segnungen. Da merken wir, was die Härte des Gesetzes ausmacht. Es ist ein Joch, das weder wir noch unsere Väter tragen konnten.
Gesetz ist, dass wir Gott gehorchen, dass wir tun, was Gott uns sagt. Wir wollen das ja auch, aber wir schaffen es trotzdem nicht.
Beim Evangelium kommt erstens Gott und zweitens der Mensch. Gott bewirkt alles. Er errettet uns und wir dürfen in den guten Werken wandeln, die Gott uns zuvor bereitet hat. Nicht, damit wir errettet werden, sondern als Dank, weil wir errettet sind. Das ist Evangelium.
Bei 5. Mose 28 handelt es sich um fleischliche Segnungen, die mit dem verheißenen Land verknüpft sind. Die Flüche sind nicht nur Drohungen, sie sind Prophetie. Alles ist über das Volk Israel später hereingebrochen. Wir sollten ruhig auch mal erschrecken über den heiligen Gott und sein Gesetz.
Im Galaterbrief Kapitel 3 wird uns das Evangelium gesagt, nämlich dass wir frei sind vom Fluch des Gesetzes, weil Christus ein Fluch geworden ist für uns. Er hat uns losgekauft vom Fluch des Gesetzes. Erst auf dem Hintergrund des Gesetzes wird deutlich, was wir am Evangelium haben.
Das Evangelium leuchtet auch schon an vielen Stellen des Alten Testaments auf. Auch da gibt es Verheißungen ohne Bedingungen. Wie kann man die Stellen im Neuen Testament verstehen, bei denen die Verheißungen an Bedingungen gekoppelt sind? Haben wir nicht auch ein unangenehmes Gefühl, wenn der Herr Jesus in Matthäus 6 sagt:
Denn wenn ihr den Menschen vergebt, dann wird der himmlische Vater auch euch vergeben. Wenn ihr den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Übertretungen auch nicht vergeben.
Haben wir wirklich allen Menschen von Herzen vergeben? Vergibt uns Gott unsere Schuld nicht, wenn wir etwas übersehen oder vergessen haben? Hängt unsere Erlösung an unserer Vergebungsbereitschaft? Stehen wir dann nicht wieder auf dem Boden des Gesetzes? Werden wir durch unsere Werke oder durch den Glauben an Jesus gerettet?
Die Zeit, in der der Herr Jesus als Mensch auf der Erde lebte, ist eine gewisse Übergangszeit. Die Zeit des Gesetzes läuft aus, die Zeit der Gnade beginnt. Es gibt einen Übergang. In der Lehre Jesu, in der Bergpredigt, haben wir auch noch Gesetz, genauso, wie es Glauben schon im Alten Testament gibt.
In Kolosser 3,13 klingt das dann so: Ertragt einander, vergebt euch gegenseitig … wie auch der Christus euch vergeben hat, so auch ihr.
Christus hat vergeben, jetzt sind wir dran. Die Reihenfolge ist anders. Nicht, wenn du, dann ich, sondern Christus hat vergeben. Nicht wir müssen vergeben, damit Christus uns vergibt. Gott hat in Christus alles gemacht. Wir stehen auf dem Boden der Gnade.
Wir sind gerecht ohne unsere Werke, unabhängig von unserem Verhalten. Der Herr Jesus hat ja in der Bergpredigt das Gesetz nicht außer Kraft gesetzt, er hat es noch verschärft. Er bezieht beim Töten und beim Ehebruch sogar die Gedankenwelt mit ein. In Matthäus 5,48 sagt er sogar: Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.
Wie kann der Herr so etwas von uns verlangen? Kennt er denn uns Menschen nicht? Spätestens hier müssen wir erkennen, dass das Gesetz unsere Verlorenheit aufdeckt, aber kein Weg zur Erlösung ist. Haben wir schon kapituliert, oder meinen wir, unsere Frömmigkeit ist intakt und reicht aus vor Gott?
Den Anfang macht Gott. Wir schaffen unsere Seligkeit nicht. Gott wirkt das Wollen und Vollbringen. Er hat uns in Christus die größten Verheißungen geschenkt. Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Es kommt alles von Gott.
Eine Verheißung ohne Bedingungen steht in Offenbarung Kapitel 21, 4-5: Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das erste ist vergangen. Da ist kein Wenn und kein Aber dabei. Gott macht alles neu. Punkt.
Gott trickst uns nicht aus. Er macht keine falschen Versprechungen. Er erfüllt seine Verheißungen. Der Fehler ist unser Mangel an Glauben. Es kommen Prüfungen im Leben der Gläubigen, es geht nicht immer alles glatt im Leben der Christen. Je näher wir dem Herrn stehen, desto schwerere Probleme legt uns Gott auf. Es ist nicht wahr, wenn wir sagen, der Christenstand besteht aus lauter Jubel. Da fließen auch Tränen.
Wenn Gott verheißt, dass er die Tränen von unseren Augen abwischen wird, dann erwartet er also, dass wir mit Tränen am Ende unserer Reise bei ihm ankommen.
Der alte Mann hat sich schon oft Gedanken gemacht, ob er treu bleiben wird und bis zum Ende durchhalten kann. Diese Sorge ist unberechtigt. Der Herr ist bei den Seinen alle Tage bis ans Ende der Welt. Und er hat versprochen, dass uns niemand aus seiner Hand reißen kann. Gott ist treu. Er vergisst uns nicht. Auf ihn können wir uns ganz und gar verlassen. Wir werden bleiben im Hause des Herrn immerdar. Wir können fallen, aber wir fallen nicht ab. Der Herr lässt uns nicht los. Mein Erbarmer lässt mich nicht, das ist meine Zuversicht.