Die Aufgabe der Christen in der Welt

 

Rolf Müller

 

Sollen Christen mit Ungläubigen zusammenarbeiten, um die Lebensbedingungen zu verbessern, die Armut zu bekämpfen, den Klimawandel zu verhindern und die soziale Gerechtigkeit zu fördern? Sollen sie sich aktiv mit Kunst und Wissenschaft  beschäftigen und zur Kulturentwicklung beitragen? Gibt es einen Unterschied zwischen Gemeinde Jesu und Welt? Wenn ja - soll man diesen Unterschied als Christ betonen oder beseitigen?

 

Sind Institutionen wie Regierung, Kunst und Wissenschaften Gnadenmittel Gottes zur Verbesserung der Welt? Sind es Instrumente, durch die Gott die Sünde einschränkt und den Menschen befähigt, die Schöpfung im Sinn seiner ursprünglichen Absicht weiter zu entwickeln?  Ist das biblisch oder widerspricht es der Schrift und den reformatorischen Bekenntnissen?

 

Welchen Auftrag hat die Gemeinde Jesu in der Welt? Soll sie als Institution der Gläubigen sich bei sozialen Aktivitäten einsetzen und damit einen Kulturauftrag erfüllen? Dient sie lediglich der Zurüstung der Gläubigen für diese Aufgabe in der Welt? Was steht im Vordergrund?

 

Der alte Mann versteht die Gemeinde als eine Einrichtung des Himmels, als eine Werkstatt des Heiligen Geistes. Es werden Sünder errettet und Gläubige aufgebaut und ausgerüstet, als Christen in dieser Welt zu leben. Die Predigt befasst sich mit den großen biblischen Themen wie Buße, Glaube, Wiedergeburt, Rechtfertigung uns Heiligung. Das hat sich geändert. Es geht nicht mehr darum, was der Heilige Geist durch das Wort im Herzen der Menschen bewegt,  sondern heute steht im Vordergrund, was Menschen tun können, um die Gesellschaft und die Kultur zu erlösen. Es geht nicht mehr um die Errettung des Sünders, sondern um die Erlösung des Kosmos. Der Kulturauftrag scheint wichtiger zu sein als der Missionsauftrag Jesu an seine Jünger. Es geht nicht mehr um die Rettung des Einzelnen, sondern um die Errettung der ganzen Welt. Der Mensch muss die Schöpfung vor dem Untergang bewahren.

 

Damit kommt auf die Christen in dieser Welt eine gewaltige Aufgabe zu. Er muss das in der Schöpfung noch enthaltene Potential zur vollen Entfaltung bringen. Solange dieser Auftrag nicht erfüllt ist, wird Christus nicht wiederkommen.

 

Das ist nicht biblisch. Die Vorstellung, dass Christi zweites Kommen davon abhängen soll, welche Fortschritte die Menschheit bei ihren Bemühungen macht, ist grotesk. Wenn der Zeitplan für die Wiederkunft unseres Herrn irgendetwas mit unserer Aktivität zu tun hat, dann nur im Blick auf unseren missionarischen Einsatz.

 

Jede Vorstellung, dass unsere Aktivitäten oder ihre Unterlassung den Untergang unseres Planeten oder die Wiederkunft Christi verzögern oder beschleunigen könnten, ist abwegig. Unser Auftrag als Christen ist es, den Menschen das Evangelium zu verkündigen. Wir sind auf der Erde unterwegs, nicht zu Hause. Jesus Christus wird sein zukünftiges Reich aufrichten, nicht der Mensch. Wir sind berufen, in unserer sündigen und korrupten Welt Licht und Salz zu sein. Ob unsere Würzkraft und Leuchtkraft etwas bewirkt, liegt in Gottes Hand, da sollten wir realistisch sein. Ohne ihn können wir nichts tun. Was wir ohne ihn tun, ist nichts.

 

Der alte Mann bestreitet nicht, dass Christen in der Welt eine Aufgabe haben. Die Regierung sorgt für Ordnung und Recht, die Feuerwehr bekämpft Brände, die Ärzte  kümmern sich um Kranke. Das alles können auch Christen tun. Aber in erster Linie verkündigen Christen das Evangelium von Jesus Christus. Das ist ihre Hauptaufgabe in dieser Welt. Das nimmt ihnen niemand ab. Errettet sein weckt Rettersinn. Christen dürfen sich nicht verzetteln und sich nicht in alle möglichen Aktivitäten verwickeln lassen, denn dann beschleunigt sich der Prozess der Verweltlichung der Gemeinde. Enger Kontakt mit der Welt dämpft den Heiligen Geist und kostet die Vollmacht. Der biblische Glaube wird veräußerlicht und ausgehöhlt.

 

Wenn der Kontakt der Gemeinde mit der Welt immer enger wird, steht sie in großer Gefahr, vom Humanismus beeinflusst und vom Zeitgeist angesteckt zu werden. Unbeabsichtigt ziehen Oberflächlichkeit und Hochmut ein. Die Gemeinde wird weltoffen und versäumt ihren eigentlichen Auftrag. Sie überschreitet ihre Kompetenzen. Sie will die ganze Welt unter die Herrschaft Christi bringen. Sie gibt der Veränderung der Gesellschaft und der Kultur den Vorrang. Christen sollen sich auf ihre soziale Verantwortung besinnen, der Himmel kann warten. 

 

Unser Herr hat für die Seinen andere Prioritäten gesetzt. Wir können die Welt nicht reformieren. Die Welt lässt sich nicht christianisieren. Die Welt liegt im Argen. Die heilsgeschichtliche Aufgabe der Gemeinde bleibt die Rettung der Menschen vor dem kommenden Gericht, indem sie sie zu Christus führt.