Herbst 2020
(Ein Stimmungsbild)
Rolf Müller
(1)
Die Wildenten watscheln durch sumpfige Pfützen.
Die Schulkinder tragen die wollenen Mützen.
Die Bachstelzen trauern, ihr Lied ist verstummt.
Die Menschen erschauern, mit Masken vermummt.
Geschäfte geschlossen, die Läden sind dicht,
die Menschen verdrossen, verhüllt im Gesicht.
Die Saatkrähen schweben im Nebel ums Haus,
es breitet im Leben sich Einsamkeit aus.
Die Kanzlerin zeichnet ein düsteres Bild.
Die Menschen sind nicht zu gehorchen gewillt.
Der Markt steht verlassen, die Straßen sind leer,
bald klingeln die Kassen, es weihnachtet sehr.
(2)
Im Klinikum herrscht reges Treiben,
die Pfleger machen Abendbrot;
der Chefarzt muss Rezepte schreiben,
Patienten haben Atemnot.
Der Sensenmann schleicht in den Zimmern
auf leisen Sohlen sacht herum,
er lässt den Meyer Hermann wimmern,
dann geht er, unbemerkt und stumm.
Am nächsten Morgen, auf die Schnelle,
liest man im neuen "Tageblatt",
dass sich die Zahl der Todesfälle
seit gestern fast verdoppelt hat.
(3)
Das macht uns Freude, gibt uns Mut!
Wir dürfen keine Reise buchen?
Dann backen wir uns eben Kuchen,
der schmeckt ja auch sehr süß und gut!
Wir sind in aller Welt bekannt
als wunderschönes reiches Land,
und läuft es einmal nicht so gut:
Nein! Wir verlieren nicht den Mut!
Wir heben fröhlich unser Glas,
weil "Mutti" sagt: "Wir schaffen das!"