Der alte Mann und die Geduld

 

Rolf Müller

 

„So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und den Spätregen.“ (Jakobus 5, 7-8).

 

„Herr, gib mir Geduld, aber bitte sofort!“ Das ist ein Zeichen für die Ungeduld des Bittenden. Er kann nicht warten. Er will die Erhörung sofort, in diesem Augenblick. Er fragt nicht nach dem Willen des Herrn. Gott kommt nicht, wenn wir das möchten, aber er kommt rechtzeitig, Und wenn nicht geschieht, was wir wollen, so geschieht, was besser ist.

 

Der alte Mann weiß, dass Christsein Geduld erfordert. Zu dem, der warten kann, kommt alles mit der Zeit. Sich Zeit nehmen, ist das einzige Mittel, um Zeit zu haben. Geduld ist keine Grundeigenschaft des Menschen. Geduld wächst nicht auf „unserem Mist“. Wir haben sie nicht von uns aus. Geduld ist die Frucht des Heiligen Geistes. Sie ist eine Folge des Glaubens. Unser Glaube, wenn er bewährt ist, bewirkt Geduld.

 

Der Herr will uns stärken mit aller Kraft durch seine herrliche Macht zu aller Geduld und Langmut. Er schenkt uns die Geduld des Glaubens in aller Bedrängnis. Wir dürfen fröhlich in der Hoffnung sein. Wir sind geduldig in der Trübsal. Wir hören nicht auf, zu beten. Nachdem wir die alten Kleider ausgezogen haben und Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte geworden sind, beginnt ein Neues. Die Kennzeichen sind herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld.

 

Geduld ist besser als Hochmut. Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere. „Humor und Geduld sind die Kamele, mit denen man durch jede Wüste kommt.“

 

Der alte Mann findet den Vergleich mit dem Landwirt in Jakobus 5 einleuchtend. Er hat gesät und wartet nun sehnlich auf die Frucht der Erde. Kinder Gottes glauben und warten auf ihren kommenden Herrn. Er hat in seinem Wort versprochen, sie nach Hause zu holen. Sie vertrauen ihm, obwohl sie nicht wissen, wie lange es noch dauern wird. Sie laufen mit Geduld in dem Kampf, der ihnen verordnet ist.

 

Die Geduld ist erforderlich bis zum Ende, bis man die Vollkommenheit erreicht hat. Da hilft kein Drängen und kein ungeduldiges Jammern. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Das Abtragen eines Berges beginnt mit dem Wegtragen der kleinen Steine.

 

Geduld ist die Alltagsform der Liebe. Als Kinder Gottes werden wir umgestaltet in sein Bild. Wir werden dem Herrn ähnlicher. Wir richten uns nach seinem Wort und seinem Willen aus. Das ist ein lebenslanger Prozess. Das geschieht nicht sofort und nicht in einem Augenblick.

„Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen!“

 

 

Lass mich, o Herr, in allen Dingen   

auf deinen Willen sehn und dir mich weihn;   

gib selbst das Wollen und Vollbringen  

und lass mein Herz dir ganz geheiligt sein.   

Nimm meinen Leib und Geist zum Opfer hin;  

dein, Herr, ist alles, was ich hab und bin.

 

Gib meinem Glauben Mut und Stärke  

und lass ihn in der Liebe tätig sein,

dass man an seinen Früchten merke, 

 er sei kein eitler Traum und falscher Schein.  

Er stärke mich in meiner Pilgerschaft 

und gebe mir zum Kampf und Siege Kraft.

 

(Georg Joachim Zollenkofer)