Der alte Mann und das rechte Richten
Rolf Müller
Wer bist du, dass du sagst, Gott habe kein Gefallen an homosexuellen Beziehungen, wenn sie in Liebe geführt werden? Wer bist du, dass du sagst, der Islam sei eine antichristliche Religion? Wie kommst du dazu, zu behaupten, die Katholische Kirche vertrete unbiblische Lehren? Wer bist du, dass du sagst, die Zeugen Jehovas hätten Unrecht? Mit solchen Fragen wurde der alte Mann schon öfter konfrontiert.
Manche Leute vertreten das Motto leben und leben lassen. Solange jemand nicht kriminell wird, kann er doch machen, was er will. Niemand hat das Recht, darüber zu richten, weder ein Christ, noch die Gemeinde noch Gott.
Anderen wieder macht es Freude, die Fehler der Anderen ans Licht zu ziehen und auszuschlachten. Sie bauschen geringfügige Vergehen auf und übersehen den Balken im eigenen Auge. Sie reagieren wie die Pharisäer. Sie vernachlässigen Gerechtigkeit, Gnade und Liebe. Zu beiden Gruppen sagt der Herr Jesus: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn mit welchen Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden.“ Matthäus 7,1-2.
Der alte Mann versteht diese Stelle nicht so, als ob Christen kein Urteil abgeben sollten. Einige behaupten zwar, dass man nie eine eigene Meinung haben darf. Christen sollen schweigen und alles tolerieren. Sie sollen den Frieden und die Einheit fördern um jeden Preis. Aber der Gedanke, dass Einheit wichtiger als Wahrheit ist und Liebe bedeutender als biblische Lehre, ist durch und durch faul. Das wird klar, wenn wir Matthäus Kapitel 7 weiterlesen. In Vers 6 spricht der Herr Jesus von Hunden und Schweinen, in Vers 15 warnt er vor Wölfen in Schafskleidern. Wie sollen wir die erkennen, wenn wir es ablehnen, zu beurteilen?
Wir brauchen geistliches Unterscheidungsvermögen. Nicht alles Richten ist falsch. Es muss in aller Demut geschehen. Pharisäische Überlegenheit ist fehl am Platz. Sie wollen den anderen klein machen und sich selber in einem günstigen Licht erscheinen lassen. Sie haben keine Gewissensbisse, den anderen hart zu verurteilen. Sie hoffen, dass ihr eigener Wert durch den Vergleich mit den anderen steigt.
Sünde führt immer zu einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit. Wenn wir uns nicht die Wahrheit über uns selbst eingestehen, steht es uns nicht zu, andere zu richten.
Wenn uns Informationen fehlen, müssen wir vorsichtig sein. Wir brauchen Fakten, keine Vermutungen. Der Mensch sieht, was vor Augen ist. Nur Gott kennt die Beweggründe des Herzens.
Es ist immer richtig, dem anderen in Liebe zu begegnen. Das darf uns aber nicht hindern, biblische Urteile abzugeben. Die Pharisäer beurteilten die Leute nach dem Äußeren. Sie nahmen sich das Recht heraus, andere zu verdammen. Sie richteten die Leute für Dinge, die sie selber taten. Sie waren mit ihrem Urteil schnell bei der Hand. Sie zeigten wenig Erbarmen.
Wir sind nicht unfehlbar. Unsere Urteile sind nicht endgültig. Wir stehen nicht über denen, die wir richten. Der Herr befähigt uns, Wahres von Falschem zu unterscheiden. Er hilft uns, Verantwortung zu übernehmen und Schaden von der Gemeinde abzuwenden.
Es muss uns doch gelingen,
denn Gott ist unser Schutz,
drum lasst uns fröhlich singen,
dem bösen Feind zum Trutz.
Er muss doch unterliegen
mit aller Macht und List;
Der Stärkre hilft uns siegen,
er heißet Jesus Christ.
Wir glauben seinem Worte,
wir baun auf seine Treu.
Er macht an jedem Orte
sein armes Häuflein frei;
er führts auf rechter Straßen
zu seines Namens Ruhm;
er kann es nicht verlassen,
wir sind sein Eigentum.
Drum auf und singe fröhlich,
wer immer singen kann!
Die Taten sind unzählig,
die er an uns getan;
und wie in alten Zeiten,
so tut er immerdar:
Der Herr wird für uns streiten,
das ist gewisslich wahr.
(Friedrich Weyermüller)