Der alte Mann: Wörtlich oder nicht?

 

Rolf Müller

 

Soll man die Bibel wörtlich verstehen oder nicht? Darüber wird heute zunehmend gestritten. Eine einfache Antwort gibt es nicht. Ein einfaches Ja oder ein striktes Nein gibt es nicht. Man muss unterscheiden.

 

Die Bibel enthält Aussagen, die nur für das Volk Israel bestimmt sind. Sie enthält Aussagen, die vor allem der neutestamentlichen Gemeinde  gelten. Die Bibel unterscheidet zwischen altem und neuem Bund. Sie enthält Gleichnisse und auch reale Begebenheiten. Sie berichtet über historische Geschehnisse. Und sie enthält Aussagen, die für alle Menschen in allen Zeitaltern verbindlich sind. In ihrer Gesamtheit ist die Bibel Gottes Botschaft an uns Menschen. Ohne die Bibel wüssten wir nichts über Gott und Jesus Christus. Die Bibel ist abgeschlossen. Sie ist ewig gültig. Sie überdauert Himmel und Erde.

 

Dem alten Mann fällt auf, wie empfindlich man heute auf den Begriff „bibeltreu“ reagiert. Bibeltreue Theologen und  die bibeltreuen Ausbildungsstätten sind vom Aussterben bedroht. Man findet sie noch auf einer „Roten Liste“.

 

Im Gegenzug warnen liberale Theologen vor einem wörtlichen Bibelverständnis. Das würde die Fundamente kirchlichen Lebens gefährden. Diese Theologen schlagen die Bibel, wenn überhaupt, nur deshalb auf, um nach Problemen im Text Ausschau zu halten. Sie leugnen die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift.

 

Liberale Theologen sagen, die Bibel ist nur Papier. Sie darf nicht mit Jesus auf eine Stufe gestellt werden. Christen glauben an Jesus, nicht an die Bibel. Gott steht über der Bibel. Er ist der Schreiner und die Bibel ist sein Hobel. Fundamentalisten verwechseln den Hobel mit dem Schreiner. Sie glauben alles, was die Bibel sagt. Sie verlangen Kadavergehorsam gegenüber dem Buchstaben des Gesetzes. Damit werden die Aussagen der Bibel vergötzt. Die Bibel hat uns weder erschaffen noch hat sie uns die Schuld vergeben. Die Bibel ist ein Produkt redaktioneller und kirchenpolitischer Prozesse. Sie ist weder vom Himmel gefallen noch kann sie mit Christus auf eine Stufe gestellt werden. Die Worte Jesu wurden möglicher-weise erst von Christen der dritten Generation zu Papier gebracht.

 

Dem muss entgegengehalten werden: Die Bibel sagt alles, was uns Gott mitteilen will. Und das ist 100% zuverlässig. Deshalb stehen Christen treu zur Bibel und versuchen, nach ihren Maßstäben zu leben. Wir können Jesus nur ernst nehmen, wenn wir sein Wort ernst nehmen.

 

Soll man die Bibel wörtlich nehmen? Ja und Nein! Beispiel: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. / Solange die Erde steht, sollen nicht aufhören Frost und Hitze, Sommer und Winter, Saat und Ernte, Tag und Nacht./ Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich./ Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Diese Verse nimmt der alte Mann wörtlich.

 

Beispiel: Gehe aus deinem Heimatland in ein Land, das ich dir zeigen werde/ Nimm deinen Sohn und opfere ihn daselbst/ Tötet alle Amalekiter und verschont auch die Kinder nicht/ Zieh erst den Balken aus deinem Auge, bevor du den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehst/ Wenn dich dein Auge ärgert, reiß es aus/ Judas erhängte sich selbst/ Gehe hin und tue desgleichen. Diese Verse versteht der alte Mann nicht als eine Aufforderung zum Handeln, er nimmt sie nicht wörtlich. Ihm ist niemand bekannt, der diese Unterscheidung außer Acht lässt. Wenn man diese Verse wörtlich nehmen müsste, wären die allermeisten Christen behindert. Auf solche Ideen kommen normale Menschen gar nicht. Und auch die Theologen, wenn sie nicht tollwütig sind, schließen sich dieser Meinung an.

 

Es bleibt Wahrheit: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, und  zur Überführung, und zur Zurechtweisung,  und zur Unterweisung in der Gerechtigkeit.“ (2. Tim. 3,16).

 

O Wort des Lebens, 

hier kann mein Glaube ruhn, 

auf diesen Felsen 

kann ich mich gründen nun.

Ewig vollkommen 

ist unsres Gottes Heil; 

nimm es, o Sünder an, 

so wird dir´s  ganz zuteil;

nichts kannst du machen mehr, 

er hat´s  gemacht: 

Es ist vollbracht!

 

(Dora Rappard)