Der alte Mann und die Traurigkeit der Jünger (Johannes 16, 16-23)
Rolf Müller
„Über ein Kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen, denn ich gehe zum Vater.“
Über ein Kleines. Die Trauer der Jünger soll kurz sein. Sie soll dann ewig in Freude verwandelt werden. Der Grund ihrer Trauer war, dass Jesus seinen Tod angekündigt hatte. Er musste den Kreuzestod sterben. Aber am dritten Tag kam die Wende. Jesus sprengte die Riegel des Grabes. Als Sieger kehrte er in den Himmel zurück. Das verstanden die Jünger damals noch nicht. Sie dachten nur daran, dass ihnen ihr Meister genommen werden sollte.
Über ein Kleines, dann würde auch die Traurigkeit Jesu in Freude verwandelt werden. Jesus hatte auch Traurigkeit. Er zitterte vor dem Kelch, den er trinken sollte. Er flehte in Gethsemane zu seinem Vater. Er litt am Kreuz und verschied. „Musste nicht Christus solches leiden, um zu seiner Herrlichkeit einzugehen?“ sagte Jesus den Emmausjüngern. Jesus musste als der Gerechte für die Ungerechten leiden und sterben. Am Kreuz sehen wir, wie heilig Gott in seiner Gerechtigkeit ist. Aber wir sehen auch seine grenzenlose Liebe. Der bittere Kreuzestod Jesu führt uns zur Erkenntnis unserer Sünde. Diese Erkenntnis wirkt eine göttliche Traurigkeit, die zur Buße führt.
Die Jünger waren traurig. Die volle Heilsbedeutung des Todes Jesu verstanden sie damals noch nicht. Der Sinn war ihnen verborgen. Erst später gingen ihnen die Augen auf. "Ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen.“
Die Frucht der Trauer der Jünger war die Freude. Die Freude lässt allen Schmerz vergessen. „Über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen.“ Zu Ostern lesen wir in der Bibel: „Da wurden die Jünger froh, als sie den Herrn sahen.“ Da war ihr Schmerz vorbei und in Freude verkehrt worden. Die Trauer wird zur Freude.
Die Jünger sahen Jesus nach der Himmelfahrt nicht mehr mit ihren leiblichen Augen. Sie sahen ihn mit Glaubensaugen. Die Freude der Jünger war eine herzliche Freude. Es war eine unvergängliche, immerwährende Freude. Als der Herr vor den Augen seiner Jünger gen Himmel gefahren war, kehrten sie um nach Jerusalem. Nicht mit Trauer, sondern mit großer Freude. Sie priesen und lobten Gott. Der alte Mann hat diese Freude auch erfahren.
„Diese Freude soll niemand von euch nehmen.“ Warum? Weil der Herr sie gegeben hat. Alles, was der Herr gibt, kann niemand nehmen. Die Freude kann getrübt, aber nicht genommen werden. Freilich gibt es auch im Leben von Christen noch Traurigkeit. Es gibt Stunden der Angst und Not. Der Feind raunt ins Ohr: „Wo ist nun dein Gott?“ Aber das alles kann uns die Freude nicht rauben. Wir sind die Traurigen, aber allezeit fröhlich.
Einmal kommt der Tag, wo wir nichts mehr zu fragen und zu bitten haben. Dann sind alle Fragen, alle Rätsel gelöst. Beim Herrn in der Herrlichkeit, in seinem Licht, werden wir alles verstehen. Dann werden wir danken und loben, weil Gott alles so herrlich hinausgeführt hat. Dann werden wir schauen, was wir geglaubt haben. Dann werden wir uns freuen mit herrlicher und unaussprechlicher Freude. Und niemand kann unsere Freude von uns nehmen.
Jesu, meine Freude,
meines Herzens Weide,
Jesu, meine Zier;
ach wie lang, ach lange
ist dem Herzen bange
und verlangt nach dir!
Gottes Lamm, mein Bräutigam,
außer dir soll mir auf Erden
nichts sonst Liebers werden.
Weg mit allen Schätzen;
du bist mein Ergötzen,
Jesu, meine Lust.
Weg, ihr eitlen Ehren,
ich mag euch nicht hören,
bleibt mir unbewusst!
Elend, Not, Kreuz, Schmach
und Tod soll mich, ob ich viel muss leiden,
nicht von Jesus scheiden.
Unter deinem Schirmen
bin ich vor den Stürmen
aller Feinde frei.
Lass den Satan wettern,
lass die Welt erzittern,
mir steht Jesus bei.
Ob es jetzt gleich kracht und blitzt,
ob gleich Sünd und Hölle schrecken,
Jesus will mich decken.
Weicht, ihr Trauergeister,
denn mein Freudenmeister,
Jesus, tritt herein.
Denen, die Gott lieben,
muss auch ihr Betrüben
lauter Freude sein.
Duld ich schon hier Spott und Hohn,
dennoch bleibst du auch im Leide,
Jesu, meine Freude.
(Johann Franck)