Der alte Mann und die Jünger
(Joh. 11, 11-16)
Rolf Müller
Der Herr Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Lasst uns ziehen.“ Wohin? Er sagt nicht Bethanien, sondern Judäa. Dort hatte man wiederholt versucht, ihren Meister zu töten. Die Furcht der Jünger war berechtigt. Sie hatten Angst, getötet zu werden. Sie sagten das auch frei heraus. Sie möchten Jesus nicht nach Judäa folgen. Aber dann bringen sie es doch nicht übers Herz, ihn allein ziehen zu lassen. Sie gehen mit.
Der alte Mann wundert sich, dass Jesus den Jüngern sagt: Lazarus schläft! Ich aber gehe hin, dass ich ihn aufwecke! Jesus wusste doch ganz genau, wie es um Lazarus stand. Niemand hatte ihm die Todesnachricht gebracht.
Jesus weiß alles. Er kennt jede Not und jede Bedrängnis. Die Hilfe wird eintreffen zu seiner Stunde. Wer den Herrn Jesus zum Freund hat, muss sich nicht fürchten. Der ist wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung, die ihn nicht zuschanden werden lässt.
Die Jünger hatten nicht verstanden, was Jesus meinte. „Herr, schläft er, so wird es besser mit ihm werden.“ Sie dachten, es sei nun nicht mehr nötig, nach Judäa zu gehen. Da sagte Jesus es ihnen frei heraus: „Lazarus ist gestorben.“ Und er setzte hinzu: „Und ich bin froh um euretwillen, dass ich nicht dagewesen bin, damit ihr glaubt.“
Jesus freut sich, weil er die Traurigkeit in Freude verwandeln will. Es soll für die Jünger eine Glaubensstärkung sein. Denn die größte Anfechtung wird noch kommen. Ihr Meister wird am Kreuz hängen. Es wird so aussehen, als ob die Sache mit Jesus gescheitert sei.
Der alte Mann kann nachvollziehen, dass sich die Jünger sträubten, nach Judäa zu gehen. Aber sie sahen auch, dass Jesus fest entschlossen war, zu gehen. Sie wussten: wenn wir nicht mitgehen, geht er allein. Sie standen sprachlos und ziemlich unentschlossen da.
Thomas brach schließlich das peinliche Schweigen. „Lasst uns mit ihm ziehen, dass wir mit ihm sterben.“ Es klingt wie ein Wort der Verzweiflung, aber es zeigt auch den Glauben des Thomas. Die Jünger ahnten, wenn Jesus nach Judäa geht, kann es seinen Tod bedeuten. Thomas war bereit, sich in das nach seiner Meinung Unvermeidliche zu fügen. Er wollte mit dem Meister ziehen und wenn es sein musste, mit ihm sterben.
Thomas konnte und wollte nicht mehr ohne Jesus sein. Er wollte lieber mit Jesus sterben als ohne ihn leben. Das ist ein Beleg für den Glauben des Thomas, der im Volksmund oft zu Unrecht als „ungläubiger Thomas“ bezeichnet wird.
Es kommt auch für uns darauf an, dass wir mit Jesus ziehen. Es kommt darauf an, dass wir seine Nachfolger sind. Wir bleiben nicht zurück, aber eilen auch nicht voraus. Dann werden wir erkennen: Was manchmal wie ein Todesweg erscheint, ist am Ende ein Lebensweg. Am Ende wird es heißen: Der Herr hat alles wohlgemacht! Gebt unserm Gott die Ehre!
Ich lass dich nicht,
du musst mein Jesus bleiben!
Will raue Not,
Welt, Hölle, Tod
mich aus der festen Burg der Treue treiben,
nur her, ich halte mich,
mein starker Held, an dich;
hör, was die Seele spricht:
du musst mein Jesus bleiben.
Ich lass dich nicht, ich lass dich nicht!
Ich lass dich nicht,
du Hilf in allen Nöten!
Mich reißt das Grab
von dir nicht ab!
Wenn es auch scheint,
als wolltest du mich töten,
ich weiche nicht von dir,
mach’s wie du willst, mit mir.
Ich suche dein Gesicht,
du Hilf in allen Nöten.
Ich lass dich nicht, ich lass dich nicht!
Ich lass dich nicht,
sollt ich den Segen lassen?
Nein, Jesus nein!
Du bleibest mein;
dich halt ich noch,
wenn ich nichts mehr kann fassen.
Nach kurzer Nächte Lauf
geht mir der Segen auf
von dir, dem Segenslicht.
Sollt ich den Segen lassen?
Ich lass dich nicht, ich lass dich nicht!
Ich lass dich nicht,
mein Gott, mein Herr,
mein Leben!
Mich reißt das Grab
von dir nicht ab,
der du dich hast für mich in Tod gegeben.
Du starbst aus Liebe mir,
ich sag in Liebe dir;
auch wenn das Herz zerbricht:
Mein Gott, mein Herr mein Leben,
ich lass dich nicht, ich lass dich nicht!
(Wolfgang Christoph Deßler)