Der alte Mann und die Löwengrube (Daniel 6)
Rolf Müller
Daniel ist für jeden von uns ein großes Vorbild. Er führte seine Amtsgeschäfte am Königshof ohne Skandal, ohne Korruption und ohne Affären. Außer seinem Gottesdienst konnten seine Gegner nichts Nachteiliges über ihn finden. In all den Jahren im Staatsdienst hatte sich Daniel nichts zuschulden kommen lassen.
Seine Gegner, die ihn zu Fall bringen wollen, spinnen eine Intrige. Daniels Gottesfurcht soll ihm zum Verhängnis werden. Einen anderen Anklagepunkt finden sie nicht.
Sie bestürmen den König Darius, eine königliche Verordnung zu erlassen. Wer innerhalb von 30 Tagen eine Bitte an irgendeinen Menschen oder Gott richtet, außer an den König allein, der soll in die Löwengrube geworfen werden.
Daniels Lebensprinzip war, sich nicht zu verunreinigen. Er hätte durchaus Kompromisse schließen können. 30 Tage – ok, das geht schon mal. Da bete ich eben mal 30 Tage nicht und dann ist es vorbei. Ich muss ja meinen Kopf nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Das muss doch nicht sein. Aber solche Gedanken hat Daniel nicht.
Der alte Mann muss bekennen, dass er sich oft lieber versteckt, als sich der Verantwortung zu stellen. Er muss bekennen, dass er oft schweigt, wo er reden sollte. Daniel ist für ihn ein leuchtendes Vorbild. Daniel hat nicht gejammert über seine schreckliche Lage. Er hatte sich das nicht ausgesucht, aber er wusste sich von Gott in diese Situation hinein gestellt.
Daniel diente treu seinem Gott und das blieb nicht verborgen. Das nahmen die Leute in seinem Umfeld zur Kenntnis. Daniel hatte ein offenes Fenster nach Jerusalem. Er schloss keine Kompromisse. Er versteckte seinen Glauben nicht. Er hielt seinen Kopf aus dem Fenster. Wer das tut, läuft Gefahr, eins drauf zu kriegen.
Der alte Mann überlegt, dass Daniel ja auch heimlich beten konnte. Das hätte keiner gemerkt. Daniel hätte der Gefahr aus dem Weg gehen können. Das alles kam für Daniel nicht in Frage.
Er versuchte nicht, der Löwengrube zu entkommen. Er verleugnete seinen Herrn nicht.
Er lässt auch nicht seine politischen Beziehungen spielen. Er führt kein persönliches Gespräch mit Darius, der ihm wohlgesinnt war. Er weist nicht auf die Intrigen hin, die gegen ihn laufen.
Daniel verlässt sich auf den Herrn. Er betet. Gott erhört ihn, aber anders, als wir es erwarten. Daniel wird nicht errettet vor der Löwengrube, er muss hinein.
Der alte Mann stellt sich vor, was das für Daniel bedeutet. Daniel ist nicht mehr der Jüngste. Sie packen ihn und schmeißen ihn rein. Da gibt es keine Rücksicht. Sie ließen ihn nicht vorsichtig mit dem Sanitätslift runter.
Daniels Antwort an den König von Briton Rivière, R.A. (1840–1920), 1890 (Manchester Art Gallery).
Daniel wusste nicht, wie es ausgeht. Gottes Gerechtigkeit erfährt man nicht immer schon bei Lebzeiten. Bei Daniel wendet es sich zum Guten. Gott hält die Rachen der Löwen zu. Daniel bleibt unversehrt. Seine Gegner, die ihn angezeigt hatten, werden den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Es siegt die Gerechtigkeit Gottes.
Dazu gibt es den Erlass des Darius, dass im ganzen Königreich der Gott Daniels angebetet werden soll.
Der alte Mann träumt manchmal davon, dass in Deutschland ein ähnliches Glaubensgebot erlassen wird. Dass in der deutschen Verfassung ein deutlicherer Gottesbezug verankert wird. Allerdings weiß der alte Mann nicht, ob es gut wäre, wenn wir einen solchen Erlass hätten. Glauben und Gottesfurcht kann man nicht verordnen. Natürlich wünschen wir uns alle ein friedliches Leben als Christen. Aber wir haben keine Garantie. Der Herr hat nicht versprochen, dass es uns auf Erden immer gut geht. Gott hat uns keinen bequemen Weg garantiert, aber ein herrliches Ziel: Ewiges Leben bei ihm in der Herrlichkeit!
Wenn nach der Erde Leid, Arbeit und Pein
ich in die goldenen Gassen zieh ein,
wird nur das Schaun meines Heilands allein
Grund meiner Freude und Anbetung sein.
Wenn dann die Gnade, mit der ich geliebt
dort eine Wohnung im Himmel mir gibt,
wird doch nur Jesus und Jesus allein
Grund meiner Freude und Anbetung sein.
Das wird allein Herrlichkeit sein,
wenn frei von Weh
ich sein Angesicht seh.
(Hedwig von Redern)