Der alte Mann und der blinde Bettler (Lukas 18, 35-43)

 

Rolf Müller

 

Da sitzt ein Blinder am Weg und bettelt. Das ist traurig. Aber was haben wir mit diesem Bettler zu tun? Wir sitzen doch nicht untätig herum und betteln! Wir haben zu tun, viel zu tun! Wir haben es nicht nötig, zu betteln. Bei uns ist alles da, was wir zum Leben brauchen. Die meisten können sich nicht erinnern, je auf eine Mahlzeit wegen Geldmangel verzichtet zu haben. Ein Bettlerdasein führen wir bestimmt nicht. Davon konnte der Blinde vor Jericho nur träumen.

 

Der alte Mann findet, dass der Blinde zwar um Geld bettelt, aber er bettelt noch um ganz andere Dinge. Er bettelt um Freundlichkeit, Geborgenheit, menschliche Wärme und um Verständnis und Liebe. Der alte Mann entdeckt, dass es ihm genauso geht, wie dem Blinden. Wir kennen das doch auch. Wir betteln um ein offenes Ohr, um Verständnis für unsere Anliegen, für unsere schwierige Situation. Wir betteln darum, dass der andere sich Zeit für uns nimmt. Wir gleichen dem blinden Bettler vor Jericho.

 

Plötzlich wird es laut um den Blinden. Er hört viele Stimmen. Er wird neugierig. Was ist hier los? Was geht hier vor? Der alte Mann kennt das auch. Stimmen, die an sein Ohr dringen, die neugierig machen, die ihn verunsichern und Angst einjagen.

Jemand sagt dem Blinden, dass Jesus in der Stadt ist und gleich hier vorbeikommen wird. Da erfasst ihn Freude und Panik zugleich. Freude, weil Jesus ganz nah ist und Panik, weil die Gefahr besteht, dass Jesus vorübergeht. Die Menschenmenge wird dem Bettler zum Verhängnis. Er kann sich nicht gegen die Masse behaupten. Er kann nicht zu Jesus vordringen.

Der alte Mann weiß, dass das auch für ihn eine Herausforderung werden kann. Wenn er zu Jesus will, kann die Menschenmenge auch ihm den Weg versperren. Die vielen Stimmen! Die vielen Meinungen! Stimmen, die uns einschüchtern. Stimmen, die uns abraten und sagen: Einen Jesus brauchst du nicht! Solche Stimmen wühlen auf, wollen uns blockieren und hindern, zu Jesus vorzudringen.

 

Jesus von Nazareth geht vorbei. Der Blinde schreit seinen Glauben heraus: „Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich mein!“ Vor allem Volk ruft er es in die Menge hinein. Er ruft es denen zu, die sagen: Ich glaube nur, was ich sehe! Das konnte der Blinde gar nicht. Er glaubte, ohne zu sehen. Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich über mich! Gehe nicht vorbei, o Heiland, bleibe bei mir stehen!

Die Menschenmenge will den Bettler zum Schweigen bringen. Der Blinde am Weg steht im Weg. Er lässt sich von der Menge nicht beruhigen. Er wartet auf Antwort.

 

Der alte Mann bewundert das Verhalten Jesu. Es wäre für ihn bequemer gewesen, die Stimme des Blinden zu überhören. Aber der Herr Jesus ist nie den bequemen Weg gegangen. Er bleibt stehen. Er hat ein feines Ohr. Er hört das Schreien des blinden Bettlers. Obwohl er in der Menschenmenge läuft, sucht er den einen, der ihn braucht.

„Was willst du, dass ich dir tun soll?“ „Dass ich sehen kann!“ Der Blinde vor Jericho erhält das Augenlicht. Er kann sehen. Er freut sich und lobt Gott.

 

Der alte Mann weiß, dass jeder einzelne für den Sohn Gottes zählt. Wer zu ihm kommt, den stößt er nicht hinaus. Jesus beantwortet das Gebet des blinden Bettlers. Jesus beantwortet auch unsere Gebete. Warum rufen wir ihn nicht an? Jesus kann geistlich Blinden das Augenlicht schenken. Einzige Voraussetzung ist, dass man seine Blindheit zugibt. Nur Jesus Christus kann die Blinden sehend machen.

 

„Suche Jesus und sein Licht, alles andre hilft dir nicht!“

 

Du bist der Name aller Namen,

in dem das Heil beschlossen ist.

Du bist die Wahrheit, Ja und Amen,

du unser Heiland Jesus Christ.

 

Du bist der Weg zum Vaterherzen,

das Licht für jede Sündennacht,

die Hilfe in Gewissensschmerzen,

für Schwache Trost und Lebenskraft.

 

Du bist der Hirte für die Deinen

und immer auf ihr Wohl bedacht,

die Sonne, die uns einst wird scheinen

in Zions wunderbarer Pracht.

 

(Johann Zeilinger).