Der alte Mann und das Reformationsjubiläum
Rolf Müller
Das Jahr 2017 ist dem Gedenken an die Reformation gewidmet. Vor 500 Jahren hat Martin Luther seine 95 Thesen bekannt gemacht. Das war ein Wendepunkt in der Geschichte. Martin Luther, Huldrych Zwingli und Johannes Calvin waren herausragende Persönlichkeiten ihrer Zeit. Durch ihr Wirken wurde das Wort Gottes wieder neu auf den Leuchter gestellt. Zur Reformation gehört zuerst und zuletzt die Bibel. „Allein Christus! Allein der Glaube! Allein die Schrift! Allein die Gnade!“ Zwingli schrieb 1523: „Die Heilige Schrift muss mein und aller Menschen Richter sein; es darf aber nicht der Mensch Richter über das Wort Gottes sein.“ Die Stärke der Reformatoren war ihre Treue zum Wort Gottes.
Der alte Mann stellt fest, dass das Jubiläum 2017 auf keinen Fall eine Rückbesinnung auf die Werte der Reformation ist. Im Gegenteil: Die Evangelische Kirche hat ihr eigentliches Glaubensfundament verlassen. Sie hat ein anderes Fundament gelegt, das nicht zum Ziel führt. Der Mensch nimmt die Stelle Gottes ein. Die Kirche verdunkelt das Wort Gottes. Sie verändert das Evangelium. Die Werte, die man der Bibel verdankt, tritt sie mit Füßen.
Der alte Mann zitiert nur einige Aussagen von Kirchenführern der EKD. Sie sind entlarvend. Sie wurden nicht irgendwo im Winkel gemacht, sondern in aller Öffentlichkeit publiziert. Sie sind weit entfernt von den Thesen der Reformation, deren Jubiläum 2017 mit großem Aufwand gefeiert wird.
Die EKD stellt sich der Aufgabe, andere Religionen als Partner in der offenen Gesellschaft anzunehmen. Auch der Islam muss sich in Deutschland frei entfalten können./ Wir treten für die Überwindung von Gewalt ein, für soziale Gerechtigkeit und die Überwindung von Armut und Unrecht. Wer fromm ist, muss auch politisch sein./ Die EKD begrüßt die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare. Das Liebesgebot Jesu wiegt schwerer als einzelne Bibelstellen, die Homosexualität kritisieren./ Ein echter reformatorischer Glaube braucht den weltweiten Horizont und die interkulturelle Begegnung. Der Dialog beginnt mit einer offenen Haustür auch für Menschen anderen Glaubens./ Gott macht seine Zuwendung nicht von einem bestimmten Glauben abhängig./ Der christliche Glaube zieht nicht enge Grenzen. Er freut sich an allem, was in anderen Religionen als Ausdruck wahren Menschseins erkennbar ist./ Wir warnen vor wörtlicher Bibelauslegung. Die Bibel ist ein ganz normales Stück Literatur. / Die vielen fundamentalistischen Bibelkreise machen mehr Ärger als muslimische Migranten./ Evangelische Landeskirchen rufen zum Pilgern für Klimaschutz auf. Der Pilgerweg soll spirituelle Besinnung mit politischem Engagement für Klimagerechtigkeit verbinden.
Der alte Mann könnte noch seitenlang weiterzitieren. Manche Aussagen ähneln dem Programm der SPD und der Grünen. Er vermisst in diesen kirchlichen Botschaften Christus. Sie bleiben unverbindlich. Sie vermitteln Halbwahrheiten. Von der EKD blättert auch der letzte noch vorhandene Lack ab. Sie rostet vor sich hin. Sie ist glanzlos geworden. Es gibt nur noch wenige Lichtblicke.
Dem alten Mann ist bewusst, dass es nicht darauf ankommt, was der Einzelne aus der Bibel herausliest. Es kommt darauf an, was drinsteht. Die Kirche handelt nach dem Motto „wie es euch gefällt“. Sie richtet sich nach den Erwartungen der Zeitgenossen. Alles kann alles bedeuten. Es kann so, aber auch ganz anders verstanden werden.
Die EKD marschiert auf dem breiten Weg. Sie ist in weiten Teilen vom biblischen Glauben abgefallen. Sie ist kraftlos und nichtssagend geworden. Die Prinzipien der Reformation werden durch Parolen wie „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ ersetzt. Die Rettung von Menschen aus ihren Sünden ist längst kein Thema mehr. Daher braucht man auch keine Bekehrung, keine Gnade und keinen Heiland mehr. Luther wurde noch von der Frage bewegt: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Die heutige Kirche fragt: „Wie kann ich den Klimawandel aufhalten?“
Der alte Mann bedauert, dass heute Reformation von der Kirche mit Fortschritt und Humanismus gleichgesetzt wird. Das ist Lüge und Verführung. Die Reformation vor 500 Jahren war gerade keine Vorwärtsbewegung im Sinn humanistischer Aufklärung. Sie war eine Rückbesinnung auf die Bibel, das ewige Wort Gottes. Nur so kann Reformation auch heute geschehen.