Alfred Christlieb

aus "Deine Zeugnisse - mein ewiges Erbe"

Sünde beginnt in den Gedanken - Elisa und Gehasi

 

Gehasi jagte dem Naeman nach. 2. Könige 5, 21

 

Wo Gott ein Meisterstück der Gnade verrichtet, da setzt der Teufel ein Erzbubenstück daneben. Gehasi ist der Diener des Elisa. Wie Judas in der Jüngerschaft Jesu zum Teufelsmenschen wurde, so Gehasi im Haus des Apostels. Noch nicht fünf Minuten war Naeman fort, da sagte er sich: Wie kann mein Herr so töricht sein, diesen Syrer mit seinen Millionenschätzen ungerupft ziehen zu lassen. Ich werde ihm nachjagen und ihn um etliche Säcke erleichtern.

 

Die Heilige Schrift zeigt uns die Entstehung der Sünde Gehasis. Vers 20 sagt: "Da g e d a c h t e Gehasi." Im Gedankenleben hat sie begonnen. Elisa deckt es dem Gehasi (Vers 26) kraft seines prophetischen Klarblickes auf. Gehasi war mit seinem Los als kleiner Diener nicht zufrieden. Er ist bei dem Gottesmann eingetreten in der Hoffnung, er werde da gesegnet werden, mindestens wie ein Lot neben Abraham. Er war enttäuscht. Nun malt er sich aus: Ein Landgut mit Ölgärten und Weinbergen, Weiden voll von Schafen und Rindern, eine Schar von Knechten und Mägden, ein herrschaftliches Landhaus, prächtige Kleider und Säcke voll Geld! Jetzt könnte er es haben!

 

Hier erkenne ich zwischen den Zeilen eine schmerzliche Demütigungsstunde für den Propheten. Bis weit hinaus in die Lande geht sein Segenswirken und im eigenen Haus behält er einen unbekehrten Knecht. Wie mag er im täglichen Gebet mit Gott um Gehasi gerungen haben. Umsonst. Er wurde nicht erhört. Gott selbst musste dem Gehasi durch furchtbare Züchtigung seine Unlauterkeit aufdecken und ihn innerlich zurechtbringen.

 

Lasst uns besonders beachten: Gehasis Sünde begann in seinem Gedankenleben. Mancher Ehebrecher hat hundertmal in Gedanken die Ehe gebrochen, ehe es zum wirklichen Sündenfall kam. Wie soll es bei uns gehen? Mit Naeman in Gottes Schule hinab in die Demut, oder mit Gehasi in die Schule des Teufels hinauf auf die Steilklippe des Hochmuts?

 

Gib einen Zentner Silber und zwei Feierkleider! 2. Könige 5, 22

 

Vom Sündigen in Gedanken ist's nur ein kleiner Schritt bis zur sündigen Tat. Während Elisa sich in sein Kämmerlein zurückzieht, um den heimziehenden Naeman betend zu begleiten, stiehlt sich Gehasi heimlich aus dem Hause, um dem schätzebeladenen Wagenzug des Naeman nachzujagen. Seht ihn, wie er schweißtriefend daherkeucht: ein Bild all derer, "die da reich werden wollen", und hinter dem Mammon herjagen. Sie fallen in Gruben und Netze und Stricke und enden nach Gottes Wort (1. Tim. 6, 9) in Verderben und Verdammnis. Und seht ihn, wie er denkt, am Ziel angelangt zu sein.

 

Naeman hat ihn erblickt, steigt vom Wagen - er fragt: "Steht es wohl?" Nun muss Gehasi tun, was alle tun müssen, die reich werden wollen: er muss l ü g e n. Und er versteht es nur zu gut. Er lügt von zwei Prophetenschülern, die unerwartet zu Besuch gekommen seien und für die der Prophet einen Zentner Silber und zwei Feierkleider erbitte. Als Naeman zwei Zentner anbietet, sträubt Gehasi sich zum Schein, lässt sich dieselben aber doch aufnötigen und mit Hilfe von zwei Dienern heimwärts schaffen. Ach ja, armer Gehasi, du bist klug. Aber deine Klugheit ist Höllenklugheit. Nicht du hast jetzt das Geld, das Geld hat dich. Deine Züge verfinstern sich. Eine dunkle Macht nimmt von dir Besitz. Dein Friede ist hin. Satan schlägt dir eine tiefe Gewissenswunde. "... die da reich werden wollen!" -

 

Und nun ist Gehasi wieder im Haus. Die dunkelste, verborgenste Ecke sucht er sich aus. Da birgt er seinen Raub. "... die da reich werden wollen", haben dunkle Gehasi-Winkel im Haus und im Geschäft. Da darf niemand hineinschauen. Da wohnt der Satan und strömt von da aus Unruhe, Angst und Schrecken in Haus und Leben.

 

Und Elisa sprach zu ihm: Woher, Gehasi? 2. Könige 5, 25

 

Eben hat er den versteckten Winkel verlassen und das Haus wieder betreten, da steht der Prophet vor Gehasi. Mit durchbohrendem Blick schaut er ihn an: "Woher, Gehasi?" Elisa hat ihm Gelegenheit geben wollen, seine Schuld ehrlich zu bekennen. Die Strafe wäre dann wohl milder ausgefallen. Gehasi aber blickt ihn mit der unschuldigsten Miene an und sagt kühn und frech: "Dein Knecht ist weder hierher noch daher gegangen." Doch da trifft's den dreisten Lügner wie Blitz und Donnerschlag. Die Knie schlottern ihm; die Wangen verfärben sich. Alles hat des erleuchteten Propheten Auge gesehen, sogar den Umstand, dass Naeman vom Wagen gestiegen und dem Gehasi entgegengegangen ist. -

 

"Mein Herz ist mit dir gegangen, da der Mann umkehrte von seinem Wagen dir entgegen. War das die Zeit, Silber und Kleider zu nehmen, Ölgärten, Weinberge, Schafe, Rinder, Knechte und Mägde?" Gehasis ganze Lügenhülle ist in Fetzen gerissen. Ach, hätte Gehasi das geahnt, wie gern hätte er dann die Silberzentner nach Syrien abrollen lassen. Und nun trifft ihn das schreckliche Strafgericht: "Der Aussatz Naemans wird dir anhangen und deinem Samen ewiglich!" Aus ist es mit dem Traum, ein reicher Gutsbesitzer zu werden. Das elendeste Los, das es gibt, hat er dagegen eingetauscht: Aussätzig! Hinausgestoßen von seiner Familie und aus der menschlichen Gemeinschaft, und das bis ans Lebensende. -

 

Gehasis Geschick ist ein Sinnbild all der schlauen Lügner und Betrüger, die am Jüngsten Tage entlarvt das Urteil hören müssen: "Geht hin, ihr Verfluchten in das ewige Feuer." Da wird Heulen und Zähneklappen sein. Und schauriger als aus Gehasis Mund wird es klingen: "Ach, hätte ich doch!" Wollen wir nicht alle Unlauterkeit fliehen und verfluchen und die Sonnenlauterkeit suchen, die vor Gottes Augen selber alles Böse ans Licht bringt?

 

Andachten zum 5., 6. und 7. August