Zusammenleben für Fortgeschrittene

 

3.Mo.19,33: Wenn ein Fremdling in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken.

 

In der gegenwärtigen politischen Lage ist dieser Vers natürlich Wasser auf die Mühlen der Sozial-Ethiker. Beim Verständnis von Bibelworten sind aber Abkürzungen auch manchmal Sackgassen.

 

Es steht da. Es steht sogar im sog. Heiligkeitsgesetz. Das sind die Abschnitte der Torah, die abhängig sind von Gottes Anordnung: „Seid heilig, denn ich bin heilig!“. Und diese Anordnung überträgt Petrus 1:1 auf die Gemeinde. Also was machen wir?

 

Die Torah regelt viele sehr konkrete Sachverhalte des physischen Volkes Gottes im Alten Bund. Wir müssen uns da vor Verwechslungen hüten. Die Ammis machen das ja gerne – God’s own Folk in God’s own country. (Denen dann zu sagen, daß das nur für Israel gilt, hat aber keinen Zweck.) Von koreanischen Christen hab ich mal die These gehört: Wenn Korea endlich wieder vereinigt ist, dann kommt Jesus wieder. Den Abstrusitäten im Umgang mit Prophetie sind ja kaum Grenzen gesetzt.

 

Auch wenn es keine konkrete Umsetzung der Gesetze mehr gibt, kann man aber in jeder Anordnung der Torah erkennen, wofür Gottes Herz schlägt. Dem gilt es nachzuspüren, und das kann man auch übertragen.

 

Den Fremden nicht zu unterdrücken, hat m.E. wenig mit der gegenwärtigen Migrationspolitik zu tun. Der Grundsatz, daß man Mitmenschen in Frieden und Freiheit leben lässt, sie nicht wie Menschen 2. Klasse behandelt, soll allgemein gelten. Daß Israel das Land gehört und den anderen eben nicht, hebt diesen Grundsatz nicht auf. Jesus erweitert diesen Grundsatz sogar noch: „Alles, was ihr wollt, daß euch die Leute tun, das tut ihnen auch!“. Es geht um gelebte Achtung und die Vermeidung von Hochmut, gerade weil die Unterschiede festgehalten werden: Israel ist das erwählte Volk, dem Gott das Land gegeben hat, und eben nicht die anderen.

 

In der Gemeinde scheint es mir sehr ähnlich zu sein: Christen bilden die Gemeinde, aber auch Nicht-Christen besuchen die Veranstaltungen. Gelebte Achtung und die Vermeidung von Hochmut sind dabei sicher nicht ganz unwichtig. Die Nicht-Christen nehmen dabei aber keinen Einfluss auf die Gemeinde. Diakonie richtet sich an die Christen als Geschwisterschaft, an die Nicht-Christen als missionarische Liebe Jesu.

 

„Nicht unterdrücken“ redet der Achtung das Wort, nicht der Gleichmacherei. Es hebt bestehende, vom Wesen des Volkes Gottes her notwendige Grenzen und Unterscheidungen nicht auf. Wer das anstrebt, leugnet die Heiligung der Gemeinde. Aber es verdeutlicht ein wesentliches Herzensanliegen Gottes, das Paulus in die Worte fasst: „Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit“. Die Gemeinde ist der Lebensraum, in dem einer dem anderen zu dieser von Gott geschenkten Freiheit verhilft. Eine andere, sehr konkrete Anordnung des Paulus für die Gemeinde lautet: „In Demut achte einer den anderen höher als sich selbst!“. Hier wird aus dem Unterdrücken ein Drunterbücken, und das ist allgemein gültig.

 

Wer das schafft, möchte sich doch bitte bei mir melden; von dem will ich lernen!

 

 

Gedanken und Auslegung von Bruder Jens Döhling  März 2025

 

 

pdf6 07-Doehling_Zusammenleben für Fortgeschrittene (1.3.2025)