Nicht original, aber richtig
Ps.106,6: Wir haben gesündigt samt unseren Vätern. Wir haben unrecht getan und sind gottlos
gewesen.
Röm.3,28: So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke allein
durch den Glauben.
Martin Luther hat das Wort „allein“ zum griechischen Text ergänzt. Sicherlich ist das zunächst der Auseinandersetzung mit der kath. Werkgerechtigkeit geschuldet. Dann aber stellt es sehr präzise den Sinn dieser Aussage des Paulus heraus. Bibelübersetzung darf einen gewissen Spielraum beanspruchen, wenn dadurch der Sinn präzisiert und besser verständlich wird. Vielleicht muss sie es sogar. Bei Luther musste sie es, um dieses leidige „der Glaube und …“ der römischen Kirche wegzukriegen.
Die geistliche Bankrott-Erklärung dieses Psalmwortes verdeutlicht ja, wie präzise und kompromisslos Gottes Wort verstanden werden muss. Neben der Formulierung „Wir sind gottlos gewesen“ kann eben nicht auch die Formulierung „Wir sind phasenweise etwas weniger treu gewesen“ stehen.
Nach dem 1. Weltkrieg wurde in der Theologie das philosophische Konzept der sog. Dialektik übernommen: Alles hat zwei Seiten, und man muss beide Seiten immer gleich gewichten – „Von Gott reden heißt vom Menschen reden“. Christen auf theologischen Lehrstühlen wie Schlatter, Kähler oder Schniewind sagten dazu: Das muss sich zwangsläufig früher oder später nach einer Seite auflösen. Gott ist ganz heilig <> Der Mensch ist ganz tot in Sünden, Gott schafft ein vollkommen machtvolles Evangelium <> Der Mensch kann sich nur völlig davon ergreifen lassen. Das grundsätzliche Problem besteht bis heute darin, das humanistische Menschenbild loszuwerden. Wenn ich im Blick auf mich selbst nicht zu dem Bekenntnis komme: „Wir haben gesündigt samt unseren Vätern“, weil eine humanistische Theologie meinen Hochmut fördert, werde ich unter voller christlicher Beflaggung in die Hölle fahren. Entweder ich lass mich von Gottes vollkommen mächtigem Evangelium ergreifen, das Gott mir schenkt, oder ich habe gar keins.
Der betrogenste Sünder ist wohl der, der meint, er könne auf einem Karren voll eigener Gerechtigkeit in das Reich Gottes fahren. Um diesen Selbstbetrug aufzudecken und die Menschen aus dem Glauben an kath. Eulenspiegeleien herauszureißen, hat Luther das „allein“ ergänzt. Vielleicht brauchen wir wieder neu den Mut, Gottes Wort so spitz und scharf zu formulieren, wie es gemeint ist. Dialektik muss z.B. im Bezug auf das Gottesbild des Islam zwangsläufig an der Gottessohnschaft Jesu Christi zerschellen.
Evangelisation kontextualisiert naturgemäß immer. Das fängt schon damit an, daß Jesus Christus sich in den Kontext einer gefallenen Welt begeben hat, um die Menschen aus ihr zu erlösen. Was das Evangelium ist, und wieviel davon wir den Menschen zumuten, darf sich aber niemals aus dem Kontext ergeben. „Allein“ daß Jesus Christus für mich am Kreuz zur Sünde gemacht wurde und sich als vollkommenes Opfer hingegeben hat, muss als Gottes gültiges Urteil über mein Leben bestehen bleiben. Und „allein“, daß ich mein Leben als Sünder im Glauben an diesen Heiland und seine Gnade hänge, kann meine Gerechtigkeit vor Gott sein.
Die Kompromisslosigkeit des Kreuzes Jesu Christi muss die Kompromisslosigkeit meines Glaubens, ebenso wie die Kompromisslosigkeit unserer Verkündigung bestimmen. So kompromisslos wie sein Kreuz ist nämlich auch seine Gnade und meine Erlösung.
Gedanken und Auslegung von Bruder Jens Döhling 8.12.2024