Der Jesus-Style
Lk.6,27-28: Liebet eure Feinde! Tut wohl denen, die euch hassen! Segnet, die euch verfluchen! Betet für die, die euch beleidigen!
Wir müssen uns wohl immer wieder vor Augen führen, daß Jesus genau das für uns getan hat, „als wir noch seine Feinde waren“. Die Kraft dafür dürfte eher nicht in seiner menschlichen Natur gelegen haben, sondern in seiner göttlichen. Umso wichtiger ist es daher vielleicht, uns ebenfalls vor Augen zu führen, daß Jesus uns aus diesem Anspruch trotzdem nicht entlässt, da er uns durch seinen Heiligen Geist wiedergeboren hat. Während also bei Immanuel Kant die Begründung der Ethik lautet: „Du kannst, denn du sollst!“, lautet sie bei Jesus: Du sollst, denn es ist die Kraft meiner Auferstehung, die in dir alles schafft!
Jesus beginnt seinen Anspruch mit „Liebet!“, und damit fangen unsere Probleme an. Wir hören nicht wirklich „Liebet!“, wir hören: Such immer die Nähe, ruf dauernd an, schick Blumen und Pralinen!
Aber der Schlüssel liegt vielleicht eher in Jesu Aufforderung „Segnet!“. Beim Segnen brauch ich selbst gar nichts zu tun außer Anteil zu nehmen an dem, was Jesus selber will: Das Leben eines Menschen in ein heilvolles Verhältnis mit sich bringen. Ich brauche mich dem anderen nicht mal selber zuzuwenden, ich bitte Jesus um seine Zuwendung und überlasse es ihm, wie die aussieht. Und dadurch, daß ich mich Jesus zuwende, kann er zuerst meinen Blick und mein Herz auf sich ausrichten. Aus dieser Ausrichtung kann dann alles Weitere resultieren. Wohltun ist meiner menschlichen Natur sicherlich nicht das Nächste. Es braucht die Ausrichtung auf den, von dessen Wohltun ich selbst lebe. Es braucht sein wohltuendes Handeln an mir. Fürbitte braucht den Blick auf das, was mir durch den Reichtum meines Vaters im Himmel alles schon gehört.
Wenn es um Schuld innerhalb der Gemeinde geht, erlauben wir uns zumeist die perverse Einstellung, dem Opfer die gesamte geistliche Verantwortung aufzuerlegen: Du musst den jetzt lieben, der dir das angetan hat, sonst bist du kein Christ. Zerstörte Geschwisterschaft wiegt schwer, auch seelsorglich, und die Opfer sind nicht die Täter! Aber hört hier der Anspruch Jesu auf, oder ist der Weg, damit umzugehen, vielleicht der, ihm nicht nur unsere Verwundungen, sondern auch unsere völlige Ohnmacht hinzulegen? „Du kannst, denn du sollst!“ kann sicher niemals ein seelsorglicher Rat sein.
„Du kannst, denn du darfst aus seiner Kraft leben!“ mag eher ein hilfreicher Zuspruch sein.
Jesus selbst bleibt bei den Begriffen „Feinde“, „hassen“, „verfluchen“ und „beleidigen“. D.h., er nennt Sünde Sünde und wird auch entsprechend damit umgehen.
Von uns will er aber, daß wir uns in alledem auf ihn ausrichten.
Wenn wir vergeben sollen, dann sollen wir die Dinge an ihn „vergeben“, damit er mit diesen Dingen gerecht, mit uns aber seelsorglich umgeht, und wir aus seinem Umgang mit uns heraus neu handeln können.
Gedanken und Auslegung von Bruder Jens Döhling 12.1.2025